Interview | FVB | 12-04-2021

„Wichtig ist, immer im engen Austausch zu bleiben“

Seit Oktober 2012 war die Biologin Dr. Manuela Urban Geschäftsführerin des Forschungsverbundes Berlin (FVB). Jetzt verlässt sie den FVB. Sie ist immer neugierig geblieben, ihre neue Aufgabe liegt in der Digitalwirtschaft. Im FVB war sie eine Wissenschaftsbegeisterte und eine starke Vertreterin der Verbundidee. Die Digitalisierung der Verbundadministration lag ihr besonders am Herzen.

Dr. Manuela Urban | Foto: Katja Bilo

Das Abschiedsinterview führte Anja Wirsing.

Frau Urban, viele Projekte sind unter Ihnen als Geschäftsführerin geplant und umgesetzt worden. Was waren Ihre Highlights?

Es gab so viele tolle Projekte! Als ich zum FVB gekommen bin, ist mir die Tür eingerannt worden. Es war nicht notwendig, etwas anzustoßen – es waren bereits so viele Ideen vorhanden. Das hat mich beeindruckt.

Ein großes Highlight war das Modernisierungs- und Digitalisierungsprogramm für die Verwaltung. An erster Stelle stand das kluge Durchdenken der Abläufe, erst dann starteten wir deren Digitalisierung. Der Mehrwert des Verbundes ist hierbei besonders deutlich geworden – gemeinsam über administrative Prozesse nachzudenken und diese zu optimieren. Die Pandemie war dann der Härtetest. Wir konnten von heute auf morgen auf „remote“ umstellen, das war ein großer Erfolg.

Das FVB-intern entwickelte Führungskräfteprogramm ist ein besonders schönes Verbundprojekt. Wir bieten es seit 2015 unseren Abteilungs- und Forschungsgruppenleitenden sowie neuen Direktorinnen und Direktoren an; es ist auch bereits intern positiv evaluiert worden. Gemeinsam über Führungsfragen zu sprechen, sich über Institutsgrenzen hinweg kennenzulernen und zu unterstützen, ist ein großer Gewinn für die Teilnehmenden.

Erwähnen möchte ich auch das umfassende Sanierungsprogramm für unsere Gebäude und das nachhaltige Gebäudemanagement, das wir gemeinsam angegangen sind.

Ein erfrischendes Highlight war unser 25-jähriges Jubiläum, das wir in der Urania mit einem Kaleidoskop der Wissenschaft sowie in der Kulturbrauerei mit einem Sommerfest gefeiert haben. Das war ein sehr gelungenes Format der Wissenschaftskommunikation – in einem bunten, lässigen Rahmen mit vielen Gästen den Austausch zu ermöglichen, hat uns viel positives Feedback eingebracht und dem FVB eine neue, andere Sichtbarkeit verschafft.

Und schließlich – ohne dieses wäre alles nichts: Der FVB hat exzellente Institute, wie immer wieder in den Evaluierungen bestätigt wird. Enorm viele Drittmittel wurden eingeworben, der FVB ist stark gewachsen. Die Verwaltung hat es nicht nur geschafft, dieses Wachstum zu bewältigen, sondern sich gleichzeitig zu modernisieren. Das war nur durch das große Engagement und die hohe Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich.

Sie sind immer offen für neue Ideen und Ansätze – auch bei allem, was Verwaltung betrifft. Was macht für Sie eine moderne Wissenschaftsverwaltung aus?

Wissenschaft – ob im Labor, auf dem Feld oder im Büro – hat viel mit Unternehmertum und ständigem Lernen zu tun, denn sie bewegt sich immer im unbekannten Terrain. Die Wissenschaftsverwaltung hat die Aufgabe, die bestmöglichen Voraussetzungen für die Forschung zu schaffen. Eine moderne Verwaltung kann auf neue Herausforderungen schnell und effektiv reagieren. Sie muss dafür die Bedarfe der Forschenden verstehen, den bestehenden Rechtsrahmen souverän beherrschen und den Anspruch haben, diesen zu nutzen und zu gestalten, immer mit dem Ziel im Blick: Wie können wir die wissenschaftliche Arbeit ermöglichen, die Projektziele unterstützen? Der unternehmerische Geist der Verwalterinnen und Verwalter ist dabei wichtig, also mit eigenem Antrieb nach Möglichkeiten zu suchen. Die Digitalisierung ist dabei auch nur ein Mittel zum Zweck, aber hilft uns idealerweise, uns von einfachen Routineaufgaben zu entlasten.

Grundlegend ist meiner Ansicht nach die Geisteshaltung – wir brauchen eine „Ermöglichungskultur“. Das System der öffentlichen Verwaltung neigt dazu, sich auf das Vermeiden von Fehlern auszurichten, die durch Handeln entstehen könnten – aber der größte Fehler ist oft, nichts zu tun. Die Pandemie zeigt uns dies gerade sehr deutlich. Ich sehe es so, dass wir mutiger sein können. Ich glaube, dass diese Ermöglichungskultur und die breite Expertise der Verbundadministration zu dem wissenschaftlichen Erfolg der FVB-Institute beigetragen haben.

Wissenschaft und Verwaltung arbeiten sehr unterschiedlich – und die eine versteht nicht immer die andere. Wie gelingt eine gute Zusammenarbeit?

Wichtig ist, immer im engen Austausch zu bleiben – Wissenschaft und Verwaltung dürfen sich nicht entkoppeln. Beide arbeiten gemeinsam daran, Projektziele zu erreichen, Forschungsergebnisse zu produzieren. Die verbundweite Ausbildung hat sich als sehr wertvoll erwiesen, um ein Verständnis für das Besondere der Wissenschaftsadministration zu entwickeln. Unsere Azubis sind Vermittler zwischen den verschiedenen Einheiten des FVB, zwischen Wissenschaft und Verwaltung. Dies könnte man noch stärker ausbauen – zum Beispiel mit einem personellen Austausch- und Rotationsprogramm.

Gemeinsam lassen sich auch die Rahmenbedingungen für die Wissenschaft weiterentwickeln. Ein Beispiel hierfür sind unsere Vorschläge für die Verbesserung gemeinsamer Berufungsverfahren. Sie sind in den Berliner Koalitionsvertrag und schließlich in das Berliner Hochschulgesetz eingeflossen.

Die Institute des FVB sind thematisch sehr unterschiedlich aufgestellt. Sie haben die Heterogenität immer als Stärke gesehen. Was macht den FVB in seiner Vielfalt stark?

Für mich persönlich ist es viel interessanter, wenn es bunt und divers ist. Es ist spannend, unterschiedlichste Forschungsbedarfe umzusetzen – vom Seelabor bis zum Reinraum.

Vielfältig ist auch die Denkweise im FVB – beim Vorstand, den Forschenden, den vielen verschiedenen Professionen im Verbund. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine systemische Denke, die disziplinär so unterschiedlich geprägt ist, der ständige Perspektivwechsel uns allen hilft, Probleme besser zu lösen. Und die Verbundadministration hat gerade wegen dieser fachlichen Vielfalt ein Kompetenzspektrum, das ein einzelnes Institut so niemals haben könnte. Nicht umsonst bekommen wir so viele Unterstützungsanfragen auch von außen. Ich sehe hier ein Betätigungsfeld für den FVB, das ausgebaut werden könnte.

Und unser großes Portfolio an Themen – von der Quantenphysik über Wirkstoffforschung bis zur Artenvielfalt – schafft viele Anknüpfungspunkte für Gespräche mit der Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern. Sie macht es auch einfacher, die gesellschaftliche Relevanz von Wissenschaft deutlich zu machen. Der FVB ist somit ein „Verstärker“ für seine Institute: Mit dem FVB können sie bestehende Kontakte nutzen, auf alle möglichen Fragen eine Antwort finden und damit häufiger in Erscheinung treten.

Sie haben über acht Jahre als Frau an der Spitze einer der größten außeruniversitären Forschungsorganisationen in Berlin gearbeitet. Was sind Ihre Erfahrungen? Was möchten Sie uns Frauen im FVB weitergeben?

Ich war oft die erste Frau in Jobs und Gremien, ob als Führungskraft oder als Mitglied im zentralen IT-Beratungsgremium einer Wissenschaftsorganisation. Schon in der Schule kannte ich diese Situation – im Leistungskurs Chemie war ich die einzige Frau. Im Biologie-Studium war es anders, aber es gab kaum Professorinnen. An der Humboldt-Universität zu Berlin hatte ich das seltene Glück, Persönliche Referentin für eine der ersten Unipräsidentinnen in Deutschland zu sein. Dort erlebte ich, dass eine Frau auf einer Leitungsposition für einige kaum vorstellbar war. Als gelernte Naturwissenschaftlerin mit Kindern, Mann und beruflichen Ambitionen werde ich immer wieder eingeladen, über meine Erfahrung als Frau in einer Führungsrolle zu berichten. Ich mache das gerne, „Role Models“ sind wichtig. Daher freue ich mich auch sehr über den Marthe-Vogt-Podcast des FVB, in dem junge Forscherinnen mit ihrer Arbeit sichtbar gemacht werden.

Was ich an alle FVB-Frauen weitergeben möchte: Habt Mut, Eure beruflichen Träume zu verwirklichen, und scheut nicht die Anstrengungen und den Verzicht. Ja, es ist anstrengend, sich beruflich zu entwickeln und zugleich Kinder zu haben, aber es lohnt sich! Und hört bitte nicht auf die Bedenken der anderen, sondern sucht Menschen, die unterstützen können. Empfehlen möchte ich auch die Literatur der Genderforschung der letzten 10, 20 Jahre. Es lohnt sich, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, um als Frau (und Mann) mit den unterschiedlichen Rollen im Leben klarzukommen.

Sie haben immer sehr stark den Mehrwert des FVB betont – Synergien in Wissenschaft, Administration und Governance. Was wünschen Sie dem FVB zum Abschied?

Der FVB produziert einen Mehrwert im Miteinander, durch Austausch und Zusammenarbeit. Dies müssen alle im Verbund wachhalten und beständig aktivieren, denn eine Gemeinschaft muss gepflegt werden. Ich wünsche dem FVB, dass das „Give and Take“ für seine Mitglieder eine positive Bilanz hat, dass der strategische Nutzen des Verbundes gesehen und weiterentwickelt wird.

Anja Wirsing
FVB-Pressestelle
E-Mail wirsingfv-berlin.de