Press Release | FVB | 25-10-2016

Berliner Mathematikerin erhält Marthe-Vogt-Preis

Ihr Doktorvater warnte die junge Mathematikerin Mira Schedensack vor dem Thema. Trotzdem erforschte sie in ihrer Promotion neue Verfahren zur Computersimulation – und verblüffte die Fachwelt.

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[Translate to English:] Mira Schedensack hat schon als Diplomandin eine Hauptvortrag in Oberwolfach gehalten.|Foto: Volkmar Otto

 

Die Gutachter sind sich einig: Ihre Arbeit ist eigentlich vier Doktortitel und eine Habilitation wert. Dafür zeichnete der Forschungsverbund Berlin e.V. Mira Schedensack am Mittwoch, den 2. November, mit dem Marthe-Vogt-Preis aus.

Probleme aus der Mechanik werden oft mit Mathematik gelöst. Wenn ein Bauingenieur zum Beispiel wissen will, wie sich ein Balkon bei Belastungen verformt, beschreiben die Mathematiker das mithilfe von partiellen Differentialgleichungen. Die Lösungen lassen sich meist nicht exakt berechnen, daher werden sie mit numerischen Verfahren angenähert. Damit spielt die zuverlässige numerische Annäherung solcher Lösungen eine fundamentale Rolle in der mechanischen Anwendung. Solche Verfahren müssen für die Ingenieurspraxis einfach zu implementieren sein, sparsam mit den Rechnerkapazitäten umgehen und möglichst genaue Ergebnisse liefern. Schon 50 Jahre lang hatten Mathematiker auf der ganzen Welt intensiv an Verbesserungen geforscht. Auf diesem Gebiet galt es nicht mehr viel Neues zu entdecken – hatten doch die besten Köpfe schon die effizientesten Verfahren entwickelt.

Dann kam die junge Doktorandin Mira Schedensack. Die Warnungen ihres Doktorvaters Prof. Carsten Carstensen, Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, schlug sie in den Wind. Prof. Carstensen erinnert sich: „Mira Schedensack ist hochtalentiert. Ich wollte nicht verantworten, dass sie sich an einem solch aussichtslosen Thema die Zähne ausbeißt.“ Doch die Mathematikerin ließen ihre Ideen nicht mehr los. Wenn ihr Betreuer sie nicht unterstützen wollte, musste sie sich eben allein an das Thema machen. Heraus kam eine exzellente Dissertation, in der sie fundamental neue und sensationell einfach zu implementierende Verfahren vorstellte.

Dr. Mira Schedensack erklärt: „Es gab keine einfachen Methoden zur Lösung von Problemen höherer Ordnung. Mich hat diese Theorie fasziniert. Ob ich da praxistaugliche Verfahren finden würde, war mir zunächst auch nicht klar.“ Sie wollte etwas ganz Neues machen, und nicht einfach eine alte Methode nur noch etwas verbessern. „Das wäre natürlich sicherer gewesen, mein Ansatz war riskant.“ Sie lacht. „Ich fand das spannend.“

Schon als Diplomandin fiel die heute 29-Jährige der Fachwelt auf. Sie war zu einem Hauptvortrag am Forschungszentrum für Mathematik in Oberwolfach eingeladen – einem Olymp der Mathematik, an dem üblicherweise nur hochdekorierte Wissenschaftler vortragen dürfen. Nach Mira Schedensacks Vortrag sprach man in Oberwolfach von den wichtigsten Resultaten zur Finite-Elemente-Methode seit den siebziger Jahren.

In der Schule war Mira Schedensack durchaus interessiert an Mathematik, aber nicht restlos begeistert. „Ich war nicht Klassenbeste“, berichtet sie, „und vieles fand ich etwas dröge.“ Das Studium hat sie dann auch nur zum Ausprobieren begonnen. Doch gleich im ersten Jahr wurde der Funke entfacht, von da an wusste sie: „Das will ich machen.“

Mira Schedensack wurde 1987 in Hildesheim geboren. Sie studierte Mathematik mit Nebenfach Psychologie in Freiburg und an der Humboldt-Universität zu Berlin. Anschließend erhielt sie ein Stipendium an der Berlin Mathematical School und forschte am Matheon. Sie promovierte mit summa cum laude bei Prof. Carsten Carstensen an der HU Berlin. Alle Teile der Dissertation wurden in hochrangigen Journalen publiziert. Neben dem Marthe-Vogt-Preis wurde die Arbeit mit dem Humboldt-Preis, dem Dissertations-Preis der HU, ausgezeichnet.

Derzeit forscht sie als Postdoktorandin am Institut für Numerische Simulation an der Universität Bonn, gleichzeitig hat sie eine Gastdozentur an der HU Berlin inne.
Der Forschungsverbund Berlin e.V. verleiht den Marthe-Vogt-Preis (früher Nachwuchswissenschaftlerinnen-Preis) zum 16. Mal. Er wird jährlich an eine herausragende junge Wissenschaftlerin vergeben, die auf einem Gebiet tätig ist, das von den Instituten des Forschungsverbundes Berlin bearbeitet wird. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert.

Die Preisverleihung findet am Mittwoch, den 2. November 2016 um 19 Uhr im Haus der Leibniz-Gemeinschaft (Chausseestraße 111, Ecke Invalidenstraße) statt. Bitte melden Sie sich unter preisverleihungfv-berlin.de oder Tel. (030) 6392-3339 an.