Pressemitteilung | FMP | 06-03-2019

Ein Protein fürs Lernen

Ein Protein namens Unc13a ist entscheidend dafür, dass Nervenzellen das Signal verstärken können, welches sie an nachgeschaltete Zellen senden. Das haben Forscher des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) und der Freien Universität Berlin in Taufliegen (Drosophila) nachgewiesen.

Unc13a als Regulator der synaptischen Signalübertragung. Vereinfachtes Schema von Lernprozessen (von links nach rechts), bei denen sich synaptische Übertragungsstärken ändern. Dies geschieht beispielsweise wenn mehr Unc13a an der Synapse angereichert wird (rechts): Sie wird stärker, weil mehr Botenstoff-Bläschen freigesetzt werden können. Illustration: Mathias Böhme, Meida Jusyte, Alexander Walter, FMP.

Wichtig ist das sowohl beim Lernen als auch, um das System nach Störungen funktionsfähig zu halten. Die Ergebnisse sind im angesehenen Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht worden.

Nervenzellen im Gehirn oder in den Muskeln kommunizieren an ihren Kontaktstellen, den sogenannten Synapsen, auf chemischem Weg: Die sendende Zelle setzt Bläschen mit einem Botenstoff frei, der in der nachgeschalteten Zelle von spezialisierten Empfängermolekülen erkannt wird. Bekannt war, dass Unc13a die Freisetzungsstellen für diese Botenstoff-Bläschen oder Vesikel definiert. Jetzt untersuchten die Forscher um Dr. Alexander Walter die Rolle des Proteins bei der Anpassung der Synapsenstärke.

Das Gehirn speichert Information durch den Umbau einzelner Synapsen, so dass diese auf das gleiche Signal künftig stärker reagieren. Mechanismen dafür sind bisher vor allem in der empfangenden Zelle bekannt. Andererseits sind solche Anpassungen auch notwendig, um Ausfälle zu kompensieren. An bestimmten Synapsen von Taufliegen werden zum Beispiel mehr Vesikel freigesetzt, wenn die Empfängermoleküle in der nachgeschalteten Zelle blockiert werden. So erreicht das Signal innerhalb von zehn Minuten wieder seine ursprüngliche Stärke – solange die Senderzelle normal funktioniert. Und genau dafür ist Unc13a notwendig, wie die aktuellen Ergebnisse zeigen.

Die Berliner Wissenschaftler störten gezielt die Fähigkeit des Proteins, die richtige Position in der Synapse einzunehmen. Die normale Signalübertragung wurde dadurch kaum beeinträchtigt, wohl aber die Fähigkeit, den Ausfall der Empfängermoleküle zu kompensieren. Auch bei länger anhaltenden Störungen spielt Unc13a eine Rolle, wie die Forscher zeigten. Nur wenn mehr von diesem Protein in die Synapse eingebaut wurde, konnte die Signalübertragung trotzdem funktionieren.

„Und dann sind wir ehrgeizig geworden“, sagt der Leiter der Studie, Dr. Alexander Walter, „und haben zusammen mit der Arbeitsgruppe von Dr. Sigrist von der Freien Universität Berlin ein Lernexperiment gemacht.“ Bei Taufliegen sind einzelne Nervenzellen bekannt, die für das Lernen von Gerüchen zuständig sind. Trainiert man Fliegen darauf, einen bestimmten Duft zu folgen, so lernen die Tiere dies sehr schnell. Es sei denn, die Forscher störten auch in genau diesen Geruchs-Lern-Nervenzellen die richtige Positionierung von Unc13a. „Der Fluss der Information war noch da, aber kaum noch Veränderung“, beschreibt Walter den gleichen Effekt wie zuvor bei der Kompensation von Störungen. An dieser Stelle hat das ganz konkrete Auswirkungen: „Die Fliegen konnten nicht mehr lernen.“

Dabei sind die beiden untersuchten Synapsen durchaus unterschiedlich. Sie nutzen sogar verschiedene Botenstoffe. Dies spricht dafür, dass Unc13a grundlegend für die Signalverstärkung an allen Synapsen sein könnte – und das nicht nur in der Taufliege. Sehr ähnliche Proteine wurden bereits in zahlreichen Tierarten nachgewiesen, inklusive bei Menschen. Ein Unc13a-Verwandter hilft Ihnen womöglich gerade, die Information über Unc13a abzuspeichern.

Dr. Alexander M. Walter
Molecular and Theoretical Neuroscience
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