Forschung | IKZ | 01-01-2020

Ur-Kilogramm abgelöst – Neues Internationales Einheitensystem in Kraft getreten

Neben Ampere, Kelvin, und Mol wird nun auch das Kilogramm über eine Naturkonstante definiert. Ermöglicht wird das durch die am Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ) gezüchteten Einkristalle aus dem hoch angereicherten Isotop Silizium-28.

Bereits am 16. November 2018 wurde auf der 26. Generalkonferenz für Maße und Gewichte in Paris das neue Internationale Einheitensystem (SI) beschlossen. Das System trat am 20. Mai 2019, dem Weltmetrologietag, offiziell in Kraft. Von jetzt an bilden sieben Naturkonstanten das Fundament allen Messens.

Für das Kilogramm gilt ab sofort die Neudefinition über die Planck-Konstante, und somit wird diese Einheit nicht mehr über die Masse des Ur-Kilogramms bestimmt. Davon profitieren vor allem die Wissenschafts- und Hochtechnologie-Communities. Das IKZ hatte einen entscheidenden Anteil daran, dass das fast 130 Jahre alte künstliche Objekt des Ur-Kilogramms abgelöst wird, denn die am IKZ gezüchteten hochperfekten Kristalle aus nahezu isotopenreinem Silizium-28 (28Si, Anreicherung bis zu 99,9995 %) waren für dieses Vorhaben von entscheidender Bedeutung.

Bei diesen Kristallen haben nahezu alle Atome die gleiche Masse und sind in einem regelmäßigen dreidimensionalen Gitter angeordnet, was eine sehr genaue Zuordnung zwischen der Masse des Kristalls und der Zahl seiner Atome ermöglicht. Aus diesem Zusammenhang konnte der Wert der Avogadro-Konstante mit nie dagewesener Präzision abgeleitet werden und damit als fundamentale Naturkonstante unter anderem zur Definition des Kilogramms herangezogen werden, da mit Hilfe der Avogadro-Konstante die Plank-Konstante genauer bestimmt werden konnte. Im neuen SI wird der Wert der Avogadro-Konstante festgelegt und ein
Mol enthält deswegen genau 6,02214076×1023 Einzelteilchen.

Im Rahmen der von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig (PTB) geführten „KILOGRAMM“-Projekte wurden aus den im IKZ nach dem Float-Zone-Verfahren (FZ) gezüchteten 28Si-Kristallen mehrere sehr präzise Kugeln mit weniger als 20 Nanometer Formabweichungen bei rund 94 Millimeter Durchmesser und mit einer defektfrei polierten Oberfläche präpariert. Unter diesen Voraussetzungen gelang es der PTB, die Zahl der 28Si-Atome, die eine Kristallkugel von ein Kilogramm Gesamtmasse ergeben mit der geforderten Unsicherheit von weniger als 2 x 10-8 zu bestimmen.

Sie beträgt: 2,152538397 x 1025 Atome Silizium-28

Um die notwendige Reinheit der aus diesem Material gezüchteten Kristalle zu gewährleisten, sind diverse materialintensive Schmelzzonen-Reinigungsschritte notwendig. Die besonderen Herausforderungen waren deshalb der ca. 1.000-fach höhere Materialpreis gegenüber herkömmlichem Silizium sowie die begrenzte Stoffmenge. Silizium gilt als ein sehr umfassend untersuchtes Halbleitermaterial, das weltweit die Mikroelektronik und damit die Kommunikationstechnologien dominiert. Das IKZ wird weiterhin an den extremen Anforderungen für die weitere Verbesserung der Materialeigenschaften arbeiten, um künftige Anwendungen wie künstliche Intelligenz und Quantentechnologien zu ermöglichen. „Die im Rahmen dieses Metrologie-Projektes entwickelte Expertise des IKZ zu isotopenreinen Si Kristallen erlaubt uns, künftig eine zentrale Rolle als Materialforschungsinstitut bei der Entwicklung innovativer Quantentechnologien einzunehmen“, so Professor Thomas Schröder, wissenschaftlicher Direktor des IKZ.

Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ)
Dr. Nikolay Abrosimov
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Tel. 030 6392-3010

Stefanie Grüber
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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