Pressemitteilung | WIAS | 02-07-2007

Angewandte Mathematik macht nicht nur Yachten schneller

Angewandte Mathematik macht nicht nur Yachten schneller

Angewandte Mathematik macht nicht nur Yachten schneller.|Abb. WIAS

 

Führende Wissenschaftler stellten Projekte in Brüssel vor. Materialien sind jetzt auf Webseite verfügbar

Der Angewandten Mathematik kommt eine wachsende Bedeutung zu. Das wurde kürzlich in Brüssel bei einer Informationsveranstaltung vor Vertretern der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und weiterer Institutionen von führenden Vertretern des Faches hervorgehoben. Fünf Direktoren wichtiger europäischer Forschungsinstitute (Heinz W. Engl, Linz; Robert M. M. Mattheij, Eindhoven; Marek Niezgodka, Warsaw; Alfio Quarteroni, Lausanne/Milan; Jürgen Sprekels, Berlin) haben dabei anhand von Fallstudien aus Medizin, Metallurgie und Produktion die Möglichkeiten der Angewandten Mathematik aufgezeigt. Das Weierstraß-Institut bietet nunmehr die Materialien der Veranstaltung für Interessenten auf seiner Webseite zum Download an (siehe www.wias-berlin.de/events/brussels).

Die Teilnehmer des Meetings in Brüssel hatten darüber hinaus nach weiteren Beispielen gefragt, die den Nutzen moderner mathematischer Verfahren illustrieren. Besonders gut geeignet ist das gerade laufende Rennen der Yachten im America’s Cup.

Bei speziellen Konstruktionsfragen wie der Optimierung von Yachtbauteilen wie Kiel oder Winglets eröffnet der Einsatz moderner numerischer Methoden Möglichkeiten für beträchtliche Verbesserungen. Experten gehen davon aus, dass die von Mathematikern durchgeführten FDR-Berechnungen (Fluid Dynamics Research) zu einer Widerstandsreduzierung und damit zur Verbesserung der Performance in Höhe von zwei bis fünf Prozent bei der Alinghi geführt haben. Bereits ein einprozentiger Unterschied des Bootswiderstandes führt zu einer Differenz von 30 Sekunden in einem üblichen Match Race und kann damit schnell den Unterschied zwischen einem Sieger- und einem Verliererboot ausmachen.

Ein weiteres Beispiel entstammt der Finanzmathematik, wo moderne numerische Verfahren für derivative und strukturierte Finanzinstrumente (Swaps, Optionen, Anleihen mit Kündigungsrechten und viele mehr) eingesetzt werden. Je nach Komplexität der Instrumente liegt die Bewertungszeit für ein Instrument zwischen Werten unter einer Millisekunde bis zu einigen Sekunden für komplexe Instrumente mit mehrfachen Kündigungsrechten. Da die Bewertungen grob parallelisierbar sind, sind selbst aufwendige Risikoszenarioanalysen von Tausenden von Instrumenten unter hunderten von Szenarien auf Clustermaschinen mit etwa 16 oder 32 CPUs in einer Nacht möglich, ohne dafür ein großes Rechenzentrum betreiben zu müssen. Bei einem weltweit veranlagten Vermögen von vielen Billionen Euro liefert eine Risikoanalyse, die das Marktrisiko durch Diversifikation oder durch Absicherungsstrategien um nur ein Promille reduziert, bereits erhebliche Gewinne.

Diese Beispiele zeigen die ökonomische Bedeutung bereits kleinster Verbesserungen. In der Praxis der europäischen Forschung und Entwicklung sind die eingesetzten Simulationsmethoden jedoch oft bei Weitem nicht optimal. Die fünf Forschungsvertreter betonten daher die Notwendigkeit des Einsatzes der effektivsten mathematischen Methoden für Modellierung und Simulation innerhalb europäisch geförderter Forschungsprojekte. Dies findet bereits weite Anerkennung und Umsetzung im jeweiligen nationalen Rahmen, wo Angewandte Mathematik substantielle und wachsende Förderung erfährt – wie in Deutschland mit dem DFG-Forschungszentrum MATHEON.

Ansprechpartner:
Dr. Torsten Köhler, WIAS, Tel.: +49-30 / 203 72 582, mail