Pressemitteilung | MBI | 04-04-2022

Beschleunigung der Schreib-/Löschzyklen bei der optischen Magnetisierungsumschaltung

Magnetische Bits zur Datenspeicherung lassen sich – anstatt wie üblich mit Magnetfeldern aus Schreibköpfen – auch durch ultraschnelle Laserpulse umschalten.

Abb. 1. : Ultraschnelle Schaltdynamik einer GdFe- und GdCo-Legierung. Die Skalierung der Zeitachse ist geteilt: bis 10 ps ist die Zeit linear, danach logarithmisch dargestellt. Die Relaxation zu einem umgekehrten magnetischen Zustand ist in GdCo stark beschleunigt. Hier erreicht die Magnetisierung bereits nach 5 ps M(5ps)/M(t<0) ~ - 0,6. Der gleiche Wert wird in GdFe erst nach ~ 200 ps erreicht. b) und c) Magneto-optische Bilder des Endzustands nach Doppelpulsanregung mit einem Puls-zu-Puls-Abstand von Δt12=7 ps in GdCo. Helle und dunkle Bereiche entsprechen den entgegengesetzten Magnetisierungsrichtungen. Bei niedrigen Energien, F2, des zweiten Pulses bleibt der durch den ersten Puls geschriebene magnetische Zustand unverändert, bei höheren Energiewerten des zweiten Pulses, F2, wird das magnetische Bit wieder gelöscht. Dies ist der schnellste in der Literatur beschriebene Schreib-/Löschzyklus für magnetische Informationen. Der Skalenbalken in b) entspricht 10 µm. | Abb. MBI

Forschende des Max-Born-Instituts und der Freien Universität Berlin haben nun einen Weg gefunden, die zum Hin- und Herschalten eines Bits grundsätzlich erforderliche Zeit auf einen Rekordwert von nur sieben Pikosekunden zu verkürzen.

Nach einer Schätzung von IBM übersteigt die derzeitige Tagesproduktion digitaler Informationsbytes 2,5 Quintillionen (entspricht etwa 50 Millionen zweischichtigen Blu-ray-Discs, die übereinander gestapelt 60 km hoch wären) und wächst weiterhin in atemberaubendem Tempo. Die überwiegende Mehrheit dieser Daten wird magnetisch gespeichert, wobei ein binäres Bit, 0 oder 1, einer entgegengesetzten Magnetisierungsrichtung entspricht, und heutzutage üblicherweise durch einen Elektromagneten geschrieben oder gelöscht wird. Da dieses Verfahren in Bezug auf Geschwindigkeit und Energieeffizienz grundlegende Beschränkungen aufweist, wird die Entdeckung des rein optischen Schaltens (all optical switching, AOS), das es ermöglicht ein magnetisches Bit nur mit Hilfe von Lichtpulsen zu schreiben oder zu löschen, als vielversprechender neuer Ansatz für die künftige Datenspeichertechnologie betrachtet. AOS wurde bereits in verschiedenen magnetischen Materialien bestehend aus einem Element der Seltenen Erden und einem Übergangsmetall, z. B. in ferrimagnetischen Gadolinium-Eisen-Legierungen beobachtet. Hier führt die optische Anregung mit Femtosekunden-Laserpulsen zu einer sehr schnellen Erwärmung der Elektronen zu Werten deutlich oberhalb der Curie-Temperatur und somit zu einem entsprechenden Verlust der Magnetisierung in dem magnetischen Material. Der Austausch von Spindrehimpuls zwischen den beiden unterschiedlichen Elementen kann dann eine Umkehrung der Magnetisierung bewirken. Entscheidend ist, dass die Temperatur des Atomgitters nur mäßig erhöht wird, so dass AOS von Natur aus energieeffizient ist. Während dieser Prozess sowohl theoretisch als auch experimentell ausgiebig untersucht worden ist, ist nur wenig über die maximalen Frequenzen von Schreib-/Löschzyklen mit aufeinanderfolgenden Laserpulsen bekannt, obwohl dies entscheidend für den Erfolg von AOS in zukünftigen Datenspeichern ist.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Born-Instituts und der Freien Universität Berlin konnten zwei Strategien umsetzen, um den zeitlichen Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Femtosekunden-Laserpulsen zu reduzieren, die die Magnetisierungsrichtung solcher magnetischen Legierungen immer noch erfolgreich hin- und herschalten können. Erstens konnte durch systematische Änderung der Wärmeübertragungsraten durch Verwendung von Substraten aus amorphem Glas, kristallinem Silizium oder polykristallinem Diamant gezeigt werden, dass effiziente Kühlraten des magnetischen Systems eine Voraussetzung für die Beschleunigung der Sequenz des Doppelpuls-Umschaltens sind. Einen deutlich größeren Einfluss auf die Remagnetisierungsrate und damit auf die Frequenz der Schreib/Löschzyklen zeigte sich jedoch erst als das Übergangsmetall Eisen durch Kobalt ersetzt wurde. Der Vergleich der ultraschnellen Magnetisierungsdynamik einer GdFe- und GdCo-Legierung nach Einzelpulsanregung ist in Abb. 1a) dargestellt. Während die anfängliche Entmagnetisierung sehr ähnlich ist, ist die Relaxationsrate zu einem umgekehrten magnetischen Zustand deutlich unterschiedlich. Während GdCo seine Magnetisierung innerhalb von 5 ps auf 60% umkehrt, wird der gleiche Wert in GdFe erst nach etwa 200 ps erreicht. Die Forschenden erklären diese Beobachtung mit der stärkeren Austauschwechselwirkung zwischen benachbarten Kobalt Atomen (Co-Co) im Vergleich zu benachbarten Eisen Atomen (Fe-Fe), die zu einer schnelleren magnetischen Ordnung des Übergangsmetall-Untergitters führt. Die entsprechenden Ergebnisse der Doppelpulsexperimente für GdCo sind in Abb. 1b und c dargestellt: Die magneto-optischen Bilder zeigen eine entgegengesetzte Magnetisierungsrichtung des Endzustands bei einem Puls-zu-Puls-Abstand von nur Δt12=7 ps. In b) reicht die Fluenz des zweiten Pulses, F2, nicht aus, um die vom ersten Puls gesetzte Magnetisierung zu beeinflussen. In c) wurde die Energie des zweiten Pulses, F2, erhöht, sodass die Magnetisierung erfolgreich wieder zurückgeschaltet werden konnte.

Nach dem besten Wissen des Teams ist dies die bisher schnellste beobachtete Sequenz einer Magnetisierungsumschaltung: nahezu Terahertz-Wiederholraten werden für Schreib-/Löschzyklen von magnetischen Bits erreicht.

Accelerating double pulse all-optical write/erase cycles in metallic ferrimagnets
F. Steinbach, N. Stetzuhn, D. Engel, U. Atxitia, C. von Korff Schmising, S. Eisebitt
Applied Physics Letters 120 (2022) 112406/1-7

Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie
Transiente elektronische Struktur und Nanophysik
Dr. Clemens von Korff Schmising
Tel. 030 6392-1372
E-Mail Clemens.KorffSchmisingmbi-berlin.de

Felix Steinbach
Tel. 030 6392-1342
E-Mail Felix.Steinbachmbi-berlin.de