Pressemitteilung | IZW | 21-07-2014

Blei in Jagdgeschossen ist verzichtbar

Eine neue Studie zur Zielballistik bleihaltiger und bleifreier Geschosse zeigt, dass beide Geschossmaterialien gleichermaßen für eine tierschutzgerechte Jagd geeignet sind. Bleifreie Geschosse hinterlassen sogar kleinere Splitterwolken als bleihaltige.

Blei in Jagdgeschossen ist verzichtbar

Deformierendes kupferhaltiges Geschoss (TSX). (A–D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Kleine Fragmente werden durch gelbe Pfeile angezeigt. Keine Splitterwolke vorhanden..|Foto: IZW

 

Eine neue Studie zur Zielballistik bleihaltiger und bleifreier Geschosse zeigt, dass beide Geschossmaterialien gleichermaßen für eine tierschutzgerechte Jagd geeignet sind. Bleifreie Geschosse hinterlassen sogar kleinere Splitterwolken als bleihaltige.

In einer zielballistischen Untersuchung haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums der Rheinisch-Westfälischen  Technischen Hochschule Aachen (RWTH), des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung Berlin (IZW) und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) das Verhalten von Projektilen beim Auftreffen, Eindringen oder Durchdringen eines Ziels analysiert. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt im wissenschaftlichen Online-Fachblatt PLOS ONE publiziert. Die Studie erweitert die vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) und vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz in Mecklenburg-Vorpommern geförderten Untersuchungen zur Wirkung  insbesondere bleifreier Jagdgeschosse. Ein detaillierter Vergleich zeigte, dass sich bleifreie Geschosse  in ihrem zielbalistischen Verhalten unterschieden. Eine der bleifreien Geschosskonstruktionen (Deformationsge¬schoss) wies ein zielballistisches Verhalten auf, das dem des bleihaltigen Referenzgeschosses entsprach. Ferner beobachteten die Wissenschaftler, dass beim Beschuss mit bleihaltiger Munition sich hunderte kleinster Bleisplitter ausbreiten, während bei bleifreien Geschossen nur wenige Splitter entstehen.

Für ihren Versuch verglichen die Wissenschaftler zielballistische Daten von vier handelsüblichen Jagdgeschossen – eines davon mit Bleikern und drei aus homogenen Kupferlegierungen. Die Geschosse wurden mit für den Jagdeinsatz repräsentativen Geschwindigkeiten in je einen Block ballistischer Seife geschossen. Jeder Seifenblock (25 cm x 25 cm x 40 cm; ~ 27 kg Masse) wurde einmal beschossen und mit zwei verschiedenen Messverfahren untersucht. Nach dem Beschuss wurde jeder Seifenblock im Computertomographen (CT) vermessen und mit einer an der RWTH entwickelten Software ausgewertet. Das bildgebende CT-Verfahren erfasst den entstandenen Hohlraum (Schusskanal) und Parameter wie beispielsweise Volumen, Schadenstiefe und Geschossabweichungswinkel. Darüber hinaus können Geschossabsplitterungen gezählt und dreidimensional dargestellt werden. Anschließend wurde jeder Block nach einem üblichen Standardverfahren der Länge nach aufgeschnitten fotografiert und vermessen.

Die Ergebnisse beider Verfahren wiesen eine hohe Übereinstimmung auf. Das computertomographische Verfahren vermeidet jedoch das aufwändige Zerschneiden des Seifenblockes und liefert zusätzliche Informationen, so dass neue bleifreie Geschosskonstruktionen besser auf ihre jagdliche Verwendbarkeit überprüft werden können.

Seit der Antike ist die Giftigkeit von Blei bekannt, heute gehört es zu den bekanntesten Umweltschadstoffen. Bleihaltige Munition wirkt sich stark auf Mensch, Tier und Umwelt aus. Zurzeit ist der Eintrag von Blei durch Bleimunition (geschätzt mehrere Tonnen im Jahr) in die Umwelt gewaltig. Es genügen bereits geringe Spuren von Bleiabrieb oder kleine Bleisplitter, um als Gift in Organismen zu wirken. Besonders für Tiere, die am Ende der Nahrungskette stehen, wie beispielsweise Greifvögel und Aasfresser, insbesondere beim Seeadler, gehören Bleivergiftungen zu den häufigsten Todesursachen. Beim Menschen wirken geringe Bleimengen toxisch und können das zentrale Nervensystem schädigen. Insbesondere bei Kindern führt die Aufnahme von Blei zu Entwicklungsstörungen.

„Die Ergebnisse unserer Studie sind ein weiterer Erkenntnisschritt auf dem Weg zum Verzicht auf Blei in Jagdgeschossen. Dieser Prozess läuft bereits seit über zehn Jahren und wird gemeinsam von Politik, Jägerschaft und Forschungseinrichtungen getragen“, berichtet Carl Gremse; wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde; Fachgebiet Wildbiologie, Wildtiermanagement und Jagdbetriebskunde.

Die bereitgestellten Forschungsergebnisse bieten eine solide Wissensbasis für politische und für private Entscheidungen hinsichtlich der Verwendung von bleifreier Jagdmunition.

Blei in Jagdgeschossen ist verzichtbar




 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Deformierendes bleihaltiges Geschoss (NVU). (A-D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Splitterwolke deutlich sichtbar.|Foto: IZW

Publikation

PLOS ONE http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0102015

Kontakt

Fachgebiet Wildbiologie, Wildtiermanagement & Jagdbetriebskunde (FWWJ)
Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH)
Carl Gremse, Wissenschaftler
carl.gremsehnee.de
Tel.: 03334 657196
Prof. Dr. Siegfried Rieger, Fachgebietsleiter
siegfried.riegerhnee.de
Tel.: 03334 657188

Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH)
Felix Gremse, Wissenschaftler
fgremseukaachen.de
Tel.: 0241 80-80254

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin
Dr. Oliver Krone, Wissenschaftler
kroneizw-berlin.de
Tel.: 030 51 68 405
Steven Seet, Pressesprecher
seetizw-berlin.de
Tel.: 030 51 68 125; Mobil: 0177 857 26 73

Weitere Experten:
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel  (Präsident)
Tel.: 030 18412-3001

Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
Bundesforst
Abteilung Produktion, Absatz
Malte Eberwein
Tel. 030 481-636

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Gerhard Adams (Regierungsdirektor)
gerhard.adams@bmub.bund.de
Tel. 030 183050

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
Peter Lohner (MinR)
Tel. 0228 99 529-4342

Schleswig-Holsteinische Landesforsten
Tim Scherer (Direktor)
Tel.  04321 55920

Deutsche Versuchs- und Prüf-Anstalt für Jagd- und Sportwaffen e.V.  (DEVA)
Tel. 05255 - 734
info@deva-institut.de