Pressemitteilung | IKZ, WIAS | 28-06-2007

Die Schmelze bändigen

Die Schmelze bändigen

Erster TMF-Kristall aus GaAs.|Foto: IKZ

 

Eine pfiffige Idee könnte die Herstellung von Halbleiterkristallen revolutionieren: Forscher des Berliner Instituts für Kristallzüchtung (IKZ) nutzen wandernde Magnetfelder, um Konvektionsprozesse in der heißen Schmelze zu kontrollieren. Dadurch ließen sich Kristalle – etwa Silizium für Solarzellen oder Galliumarsenid für elektronische Anwendungen – kostengünstiger und in höherer Qualität als bisher produzieren. Die Idee mit den Magnetfeldern ist nicht neu, aber die Wissenschaftler des IKZ machen womöglich aus einem entscheidenden Dreh Wirklichkeit: Sie nutzen die Widerstandsheizspulen der Schmelzöfen, die das Rohmaterial erhitzen, zur gleichzeitigen Erzeugung von wandernden Magnetfeldern. Dazu musste die elektrische Ansteuerung konfiguriert werden, was zwei Industriepartner übernahmen. Bei einem Statusseminar, das kürzlich in Berlin stattfand, haben die Kristallzüchter den ersten Galliumarsenid-Kristall präsentiert, der in einem solcherart erzeugten Magnetfeld heranwuchs. „Zusätzlich stellten wir neueste Modellrechnungen des IKZ und des Weierstraß-Institutes für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) Berlin vor, nach denen es technisch möglich ist, das Verfahren im Industriemaßstab zu betreiben“, berichtet der Leiter der Forschungsgruppe, Prof. Dr. Peter Rudolph. „Die Übereinstimmung zwischen Simulation und Experiment war bei mehreren Detailprozessen beeindruckend.“

Das ließ nicht nur die teilnehmenden Wissenschaftler bei der Tagung aufhorchen, sondern auch viele Industrievertreter. „Große Marktchancen sehen vor allem die Hersteller von Solar-Silizium“, sagt Rudolph, der bereits gemeinsam mit den kooperierenden Industriepartnern über eine Ausgründung nachdenkt. Der Großteil des Siliziums für Solarzellen wird in Blockform gegossen. Dabei erkaltet die Schmelze in den Gussformen langsam, der Abkühlungs- und Kristallisationsprozess wird durch spezielle Heizanordnungen gesteuert. „Wir könnten uns vorstellen, auch bei diesem Verfahren die Heizungen so umzukonfigurieren, dass sie wandernde Magnetfelder erzeugen“, sagt Rudolph. Damit lassen sich vielleicht hochwertigere Siliziumblöcke herstellen.

Doch was im Labor funktioniert, muss noch lange nicht für die Industrie taugen. „Das ist der Vorteil am IKZ“, entgegnet Rudolph, „wir haben hier für unsere Versuche Anlagen im Industriemaßstab, so etwas hat keine Hochschule.“ Die ersten Untersuchungsergebnisse am GaAs-Kistall, der von seinen Mitarbeitern Dr. Frank-Michael Kießling und Matthias Czupalla im wandernden Magnetfeld gezüchtet wurde, seien sehr vielversprechend. Hinzu kommt, dass das IKZ in dem Forschungsvorhaben eng mit Unternehmen kooperiert. Das Projekt trägt den Titel "Kristallzüchtung im Magnetfeld (KristMag)" und hat ein Gesamtvolumen von 2,2 Millionen Euro. Die Förderung auf der Basis europäischer Gelder erfolgt gemeinsam durch die Technologiestiftung Berlin (TSB) für die Berliner Projektpartner (IKZ, WIAS, Steremat GmbH) sowie die FuE-Förderung Brandenburg für einen Industriepartner aus Ostbrandenburg (Auteam GmbH). Hinzu kommen Konsortialpartner wie das Institut für Elektrothermische Prozesse der Uni Hannover und das Kristall-Labor des Fraunhofer-Institutes IISB in Erlangen.

Hintergrund-Information zum Status-Seminar

Vom 18. bis 20. Juni 2007 fand im Dämeritz-Seehotel in Berlin-Köpenick das zweite öffentliche Statusseminar des von EFRE-Mitteln und den Länderhaushalten Berlins und Brandenburgs geförderten Projektes KristMag statt. Koordinator ist das IKZ. Wegen seiner Aktualität und Industrienähe, verbesserte Halbleiterkristalle nach optimierten und kostengünstigen Technologien zu züchten, war die Veranstaltung von außerordentlich hoher Resonanz. 70 Teilnehmer aus Hochschulen, Instituten und Industrieunternehmen sowie Fördereinrichtungen nicht nur Berlins, sondern ganz Deutschlands waren nach Berlin gekommen. Einen Einladungsvortrag über die Modellierung hydrodynamischer Effekte in Schmelzen hielt Prof. A. Muiznieks von der Lettischen Universität Riga.

Herzstück der Forschungsarbeiten ist die Entwicklung eines neuen Heizermoduls, der den zur Züchtung erforderlichen Wärmeeintrag mit einer Erzeugung wandernder Magnetfelder kombiniert. Eine solche Idee wurde bisher noch nicht im Industriemaßstab erprobt. Bei einem Erfolg dürften Durchsatzerhöhung, Kostenreduzierung und Qualitätsverbesserungen bei der Produktion von Kristallen möglich werden, da man einen zusätzlichen Einflussparameter auf die Konvektion der Schmelze besitzt und sie damit gezielter kontrollieren kann. Es zeigte sich auf diesem Seminar, dass mittlerweile das Interesse über das der Produzenten von Kristallzüchtungsanlagen, wie z.B. die Crystal Growing Systems GmbH in Asslar, und Halbleiterkristallen für die Mikro- und Optoe-lektronik, wie die Freiberger Compound Materials GmbH und Burghausener Siltronic AG, hinausgeht. So hatten sich auch führende Produzenten von Siliziumkristallen für die Solarbranche, wie die Deutsche Solar AG, Schott Solar AG und Berlin Solar AG, eingefunden.

Zur gemeinsamen Projektbearbeitung haben sich seit dem 1. Juli 2005 Berliner und ein Brandenburger Partner, wie das Institut für Kristallzüchtung (IKZ), Weierstraß-Institut für An-gewandte Analysis und Stochastik (WIAS), beide im Forschungsverbund Berlin e.V. (Leibniz-Gemeinschaft), Steremat Elektrowärme GmbH Berlin und Auteam Industrie-Elektronik GmbH Fredersdorf b. Berlin zu einem Projektkonsortium zusammengeschlossen, um die Entwicklung der Magnetheizermodule mit Steuer- und Leistungseinheit für den Einsatz in industriellen Kristallzüchtungsanlagen durchzuführen und eine Vermarktungsstrategie zu erarbeiten. Das Projektkonsortium wird von weiteren Kooperationspartnern, wie den beiden Unterauftragsnehmern Institut für Elektrothermische Prozesstechnik der Universität Hannover und Kristall-Labor des Fraunhofer-Instituts IISB in Erlangen, sowie den Konsultationspartnern Crystal Growing Systems (CGS) GmbH, Freiberger Compound Materials (FCM) GmbH, CrysTec GmbH Berlin, Forschungszentrums Dresden-Rossendorf und dem Kristallzüchtungslabor der TU Bergakademie Freiberg hilfreich begleitet.

Ansprechpaartner:
Prof. Dr. Peter Rudolph, IKZ, Tel.: 030 / 6392-3034, mail