Pressemitteilung | IGB | 07-08-2003

Ein Jahr nach der großen Flut

Ein Jahr nach der großen Flut

Typischer Ausschnitt einer Aue im Amt Neuhaus: Im Vordergrund die Buhnen, dann ein schmaler Weichholzauenstreifen und schließlich bis zum Deich die landwirtschaftlich genutzte Aue.

 

Die Auenböden der Elbe, eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier?


Nach dem Extremhochwasser an der Elbe im Jahr 2002 war eine der Folgen überall in den Auen zu sehen: Auf der Vegetation hatte sich eine wenige Millimeter bis mehrere Zentimeter mächtige Schlammschicht abgelagert. Da es im Zuge des Hochwassers zu Havariefällen an Industrieanlagen, Kläranlagen aber auch Privathaushalten gekommen war, lag die Vermutung nahe, dass der abgelagerte Schlamm mit Schadstoffen belastet sein konnte. Nur: Wie stark war die Belastung und wie gefährlich? Nicht so schlimm wie befürchtet, lautet die eine Antwort. Zugleich aber machte die Flut deutlich, dass die Ablagerungen in den Elbauen grundsätzlich ein Risiko darstellen. Und zwar schon seit langem.


 

Wer nach der Belastung der Elbauen fragt, muss als erstes bedenken, dass die Auenböden das Produkt vieler tausend Hochwässer seit der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren sind. Bei jedem Ereignis ist es zu einer Ablagerung von Schwebstoffen in die Aue gekommen. Die Böden sind somit eine Art Geschichtsbuch, worin das Extremhochwasser vom August 2002 lediglich eine neue Seite ist; ein Kapitel nur, wenn auch aus menschlicher Sicht ein bedeutsames.


 

Seit Beginn der Industrialisierung verursacht der Mensch eine wesentlich verstärkte Anreicherung von potenziellen Schadstoffen in der Elbe und ihren Nebenflüssen. Zu den elbetypischen Stoffen gehören organische Verbindungen wie zum Beispiel Dioxine und chlorierte Kohlenwasserstoffe ebenso wie anorganische Stoffe. Diesbezüglich sind die Schwermetalle Quecksilber und Cadmium sowie das Halbmetall Arsen in der Elbe von besonderer Bedeutung. Die Gesamtheit aller potenziellen Schadstoffe stellt eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier dar.


 

Da sich die meisten Schwermetalle in der Natur nicht abbauen oder verflüchtigen, bedeutet dies, dass sie sich im Laufe der Zeit anhäufen. Die Auenböden stellen aus wissenschaftlicher Sicht somit eine "Stoffsenke" innerhalb des Ökosystems Elbe dar - allerdings räumlich betrachtet in unterschiedlichem Ausmaß. Das hängt zum einen von der Höhe der einzelnen Standorte in der Aue in bezug zum langjährigen mittleren Flusswasserstand ab, denn damit verbunden ist eine unterschiedliche Überflutungshäufigkeit, und zum anderen von den lokalen Strömungsverhältnissen. Aus beiden Gründen variiert die räumliche Verteilung der Schwermetallgehalte in der Aue erheblich. Abflusslose Senken sind in der Regel die Orte, an denen es zu den höchsten Anreicherungen kommt.


 

Zur Beurteilung der Schwermetallgehalte in den Auenböden ist die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung heranzuziehen. Es zeigt sich, dass zumindest im Bereich der Mittelelbe unterhalb der Einmündungen von Mulde und Saale in die Elbe bis zum Wehr bei Geesthacht das Element Quecksilber das Hauptproblem bildet. An zahlreichen Stellen liegen die Elementgehalte oberhalb des "Maßnahmenwertes" für den Schadstoffübergang Boden-Nutzpflanze auf Grünland. Aber auch bei Arsen kommt es mancherorts zu einer Überschreitung dieses Wertes. Dies bedeutet, dass an den betroffenen Stellen von einer schädlichen Bodenveränderung auszugehen ist und dass Maßnahmen dagegen ergriffen werden müssen. Beispielsweise ist dann das Mähgut auf Schadstoffe zu untersuchen.


 

Der bloße Schwermetallgehalt im Boden besagt jedoch nur wenig über den tatsächlichen Transfer in die Pflanze und damit verbunden gegebenenfalls die Aufnahme in die Nahrungskette. Hierfür sind vielmehr der Säuregrad des Bodens (also der pH-Wert) und der Sauerstoffgehalt (die "Redoxspannung") maßgebliche Einflussgrößen. Unter den vorherrschenden Bedingungen (überwiegend schwach saure Böden mit stark wechselnden Redoxbedingungen) innerhalb des betrachteten Flussabschnittes kommt es stellenweise bei Cadmium zu einer derart hohen Aufnahme in die Pflanzen, dass der Höchstwert der Futtermittelverordnung überschritten wird. Darüber hinaus wurde während des Augusthochwassers festgestellt, dass es aufgrund der partikulären Anhaftungen an den Pflanzen zusätzlich zu einer Überschreitung des zulässigen Höchstwerte der Futtermittelverordnung von Arsen und Quecksilber gekommen ist. Die Folge war und ist, dass das betroffene Mähgut nicht an Tiere verfüttert werden darf.


 

Dass die Elbauen mit Schwermetallen belastet sind, ist in der Fachpresse zwar seit zwei Jahrzehnten bekannt, wurde in der Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen. Erst das Extremhochwasser der Elbe vom August 2002 hat auf dieses Problem erneut aufmerksam gemacht. Es sind jedoch nicht die Auswirkungen dieses einen Hochwassers, die die Auen belasten. Es sind die vielen kleinen und mittleren Hochwässer, die seit der Industrialisierung kontinuierlich Schwermetalle in die Auen eingetragen haben.


Was ist zu tun?


 

Bei der Ablagerung von Schwebstoffen in der Aue handelt es sich um einen natürlichen Prozess. Allein die durch den Menschen verursachte Belastung der Schwebstoffe mit Schadstoffen ist das Problem. Im Laufe der letzten zirka 150 Jahre hat sich ein erhebliches Schadstoffdepot in der Aue gebildet. Infolge des Extrem-Hochwassers ist es in der Regel zu keiner weiteren Verschlechterung der Schadstoffsituation in der Aue gekommen. An manchen Stellen ist eher das Gegenteil der Fall. Aufgrund der allgemeinen Verbesserung der Wasser- und Schwebstoffqualität der Elbe seit den 1990er Jahren sind die Schwermetallgehalte der frischen schwebstoffbürtigen Sedimente häufig geringer belastet als die der zuvor abgelagerten.


 

Die Schwermetalle werden größtenteils vor Ort verbleiben. Da die Gefahr besteht, dass es zu einer Aufnahme in die Nahrungskette kommt, muss in den besonders betroffenen Arealen über eine Nutzungsänderung nachgedacht werden. Beispielsweise eignet sich der Anbau von Weiden (Schwermetallaufnahme) und Pappeln (Papierproduktion) anstelle des Mähweidebetriebes. Gleichzeitig ist das Ausmaß der direkten Aufnahme von Schadstoffen durch Weidetiere ebenso zu untersuchen wie der weitere Transfer in der Nahrungskette (Milchprodukte, Fleisch).


 

Grundsätzlich sollte bei der Beurteilung der Schadstoffeinträge in die Aue jedoch auch bedacht werden, dass, gäbe es diesen Pfad nicht, ein Großteil dieser Schadstoffe im hoch sensiblen Ökosystem Wattenmeer landen würden. Dies kann nicht gewollt sein. Auf jeden Fall ist der zukünftige Schadstoffeintrag in die Elbe weiter deutlich zu reduzieren. Hierbei sind als Quellen nicht nur industrielle Punkteinleitungen, sondern auch flächenhafte Einträge von Bergbauhalden und Remobilisierungen von Sedimenten aus Stillwasserbereichen, zum Beispiel aus Buhnenfeldern, zu berücksichtigen.


Autor: Dr. René Schwartz

 

Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

Ansprechpartner:
Dr. René Schwartz, Telefon 030 / 6 41 81-678 (noch bis Freitag, 8. August).
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