Pressemitteilung | MBI | 04-05-2011

Elektronen-Ping-Pong in der Nanowelt

Einem internationalen Forscherteam ist erstmals die Kontrolle und Beobachtung stark beschleunigter Elektronen an Nanokugeln mit extrem kurzen und intensiven Laserpulsen gelungen. Das berichtet das Fachblatt "Nature Physics".

Elektronen-Ping-Pong in der Nanowelt

Abbildung 1: Mechanismus der Beschleunigung von Elektronen an Nanokugeln aus Glas | Quelle: Christian Hackenberger/LMU

 

Einem internationalen Forscherteam ist erstmals die Kontrolle und Beobachtung stark beschleunigter Elektronen an Nanokugeln mit extrem kurzen und intensiven Laserpulsen gelungen. Das berichtet das Fachblatt "Nature Physics".

Wenn starkes Laserlicht auf Elektronen in Nanoteilchen trifft, die aus einem Verbund von vielen Millionen Atomen bestehen, können Elektronen freigesetzt und stark beschleunigt werden. Einen solchen Effekt in Nanokugeln aus Quarz hat jetzt ein internationales Forscherteam im Labor für Attosekundenphysik (LAP) am Max-Planck Institut für Quantenoptik aufgezeichnet. Die Forscher beobachteten, wie sich im Laserlicht starke elektrische Felder (Nahfelder) in der Nähe der Nanoteilchen aufbauten und Elektronen freisetzten - die Nanoteilchen werden im Laserlicht ionisiert. Mit Hilfe der Nahfelder und kollektiver Wechselwirkungen der entstandenen Ladungen konnten freigesetzte Elektronen mit Licht soweit beschleunigt werden, dass sie die Grenzen der Beschleunigung, die an einzelnen Atomen bisher beobachtet wurde, weit überstiegen. Die genauen Bewegungen der Elektronen lassen sich präzise über das elektrische Feld des Laserlichtes steuern. Die neuen Erkenntnisse dieses durch Licht kontrollierten Prozesses könnten helfen, sehr energetische extreme ultraviolette Strahlung (XUV) zu erzeugen. Durch die Experimente und ihre theoretische Modellierung, die die Wissenschaftler im Magazin „Nature Physics“ beschreiben, ergeben sich auch neue Perspektiven für die Entwicklung ultraschneller, lichtkontrollierter Nanoelektronik, die im Vergleich zu heutiger Elektronik um bis zu eine Million mal schneller arbeiten könnte.

Der Vorgang der Elektronenbeschleunigung erinnert an einen kurzen Ballwechsel beim Tischtennis. Aufschlag, Rückgabe und noch ein schneller Schlag, der zum Punktgewinn führt. So ähnlich geht es auch zu, wenn Elektronen in Nanopartikeln mit Lichtpulsen in Berührung kommen. Einem internationalen Team, an dem Prof. Marc Vrakking vom Max-Born-Institut (MBI) beteiligt ist, ist nun die Beobachtung der Mechanismen und ihrer Auswirkungen eines solchen Ping-Pong-Spiels der Elektronen in Nanoteilchen unter der Einwirkung starker Laserlicht-Felder gelungen.

Die Forscher ließen hochintensive Lichtpulse, die rund fünf Femtosekunden dauerten, auf Nanoteilchen aus Siliziumdioxid (Quarzglas) im Größenbereich um 100 nm treffen (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde). Die Laserpulse bestanden aus nur wenigen Wellenzügen. Die Nanoteilchen verfügten über rund 50 Millionen Atome. Durch die Laserpulse wurden Elektronen von den Nano-Partikeln innerhalb von Bruchteilen einer Femtosekunde freigesetzt und im Laserfeld beschleunigt. Die Elektronen bewegten sich dabei um weniger als einen Nanometer von der Oberfläche der Nanokugeln weg, wurden zurück zur Oberfläche beschleunigt und prallten dort elastisch ab (wie der Tischtennisball von dem Tischtennisschläger). Die Energie der Elektronen kann dabei sehr hohe Werte annehmen und entsprach im Experiment etwa dem 60-fachen der Energie eines Laserphotons bei ca. 700 nm (im roten Spektralbereich des Lichts).

Die Wissenschaftler konnten damit erstmals das Phänomen dieses direkten elastischen Rückstoßes in einem kollektiven Nanoverbund beobachten und detailliert aufzeichnen. Für ihre Experimente verwendeten die Forscher polarisiertes Licht. Bei polarisiertem Licht schwingen die Lichtwellen lediglich entlang einer Achse und nicht, wie bei normalem Licht, in alle Richtungen. „Intensive Strahlungspulse können die Nanopartikel verändern oder zerstören. Daher haben wir isolierte Nanopartikel in einem Strahl präpariert, so dass für jeden Laserpuls frische Nanopartikel verwendet wurden. Dies ist entscheidend für die Beobachtung der hochenergetischen Elektronen“, erläutert Prof. Eckart Rühl von der Freien Universität Berlin.

Die beschleunigten Elektronen verließen die Atome in unterschiedlichen Richtungen und mit unterschiedlichen Energien. Diese Flugbahnen zeichneten die Wissenschaftler in einem dreidimensionalen Bild auf, mit dem sie die Energien und die Emissionsrichtungen der Elektronen  bestimmten. „Die Elektronen werden nicht nur durch das laserinduzierte Nahfeld beschleunigt, welches selbst schon deutlich stärker als das Laserfeld ist, sondern auch durch Wechselwirkungen mit anderen Elektronen, die aus dem Nanoteilchen ausgelöst werden“, beschreibt Prof. Matthias Kling vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching das Experiment. Schließlich spielt auch die positive Aufladung der Nanopartikel-Oberfläche eine Rolle. Da sich alle Beiträge addieren, kann die Energie der Elektronen sehr hoch sein. „Der Vorgang ist komplex, zeigt aber, dass es in der Wechselwirkung von Nanoteilchen mit starken Laserfeldern noch sehr viel zu entdecken gibt“, ergänzt Kling.

Bei den Elektronenbewegungen können auch Pulse von extremem ultravioletten Licht entstehen, nämlich immer genau dann, wenn die Elektronen wieder auf die Oberfläche treffen, aber statt abzuprallen, absorbiert werden und dabei Licht abgeben. Extremes ultraviolettes Licht ist vor allem für die biologische und medizinische Forschung interessant.

„Nach unseren Erkenntnissen können über die Rekombination der Elektronen an den Nanoteilchen Energien der abgegebenen Photonen erreicht werden, die bis zu siebenfach über dem Limit liegen, das bisher für einzelne Atome beobachtet wurde“, erklärt Prof. Thomas Fennel von der Universität Rostock. Der Nachweis der kollektiven Beschleunigung der Elektronen mit Hilfe der Nanoteilchen bietet großes Potential. „Hieraus ergeben sich vielversprechende neue Anwendungsmöglichkeiten in einer zukünftigen, lichtkontrollierten ultraschnellen Elektronik, die um bis zu eine Million mal schneller arbeiten könnte, als konventionelle Elektronik“, ist Matthias Kling überzeugt.

Abbildung 1: Mechanismus der Beschleunigung von Elektronen an Nanokugeln aus Glas. Das Laserfeld (rote Welle) führt zur Freisetzung von Elektronen (grüne Teilchen), die dann vom Laserfeld vom Nanoteilchen weg und anschließend wieder zurückbeschleunigt werden. Nach einem elastischen Stoß mit der Oberfläche der Nanokugel werden schließlich sehr hohe Energien für die freigesetzten Elektronen erreicht. Die Abbildung zeigt drei Momentaufnahmen der Beschleunigung (von links nach rechts): 1) die Elektronen werden zum Stillstand gebracht und kehren wieder zur Oberfläche zurück, 2) die Elektronen stoßen elastisch mit der Oberfläche zusammen und prallen ab und 3) die Elektronen werden sehr stark von der Nanokugel wegbeschleunigt.

 

Verstärkte Nahfelder an einer Nanokugel aus Glas

Abbildung 2: Verstärkte Nahfelder an einer Nanokugel aus Glas. Die

Nahfelder auf der Polachse des Teilchens sind zeitabhängig dargestellt,

wobei die Zeit, wie in der dargestellten Welle, von rechts unten nach

links oben verläuft. Entlang der Polarisationsachse des Lasers (entlang

der Wellenkämme und Täler) zeigen die Felder eine deutliche Asymmetrie

in ihrer Amplitude. Diese Asymmetrie führt zu einem höheren

Energiegewinn der Elektronen auf einer Seite des Nanoteilchens im

Vergleich zur anderen. Im dargestellten Fall entstehen die schnellsten

Elektronen durch die maximale Feldüberhöhung auf der Rückseite des

Teilchens. Die Energie der Elektronen und ihre Emissionsrichtungen

werden im Experiment bestimmt. Quelle: Christian Hackenberger/LMU

Text: Thorsten Naeser, Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Originalveröffentlichung:

Controlled near-field enhanced electron acceleration from dielectric nanospheres with intense few-cycle laser fields

Sergey Zherebtsov, Thomas Fennel, Jürgen Plenge, Egill Antonsson, Irina Znakovskaya, Adrian Wirth, Oliver Herrwerth, Frederik Süßmann, Christian Peltz, Izhar Ahmad, Sergei A. Trushin, Vladimir Pervak, Stefan Karsch1, Marc J.J. Vrakking, Burkhard Langer, Christina Graf, Mark I. Stockman, Ferenc Krausz, Eckart Rühl, Matthias F. Kling

Nature Physics, 24. April, doi: 10.1038/NPHYS1983

Kontakt:

Prof. Dr. Marc Vrakking, Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI), Tel.: +49 30  6392 1200
vrakkingmbi-berlin.de
www.mbi-berlin.de