Pressemitteilung | MBI | 29-09-2015

Hitze macht schlapp: Licht verlangsamt die Schwingungen eines Elektronenplasmas

Die Schwingungsfrequenz eines optisch aufgeheizten Elektronenplasmas hängt empfindlich von der Plasmatemperatur ab.

Hitze macht schlapp: Licht verlangsamt die Schwingungen eines Elektronenplasmas

BU unter der Pressemitteilung.|Abb. MBI

 

Die Schwingungsfrequenz eines optisch aufgeheizten Elektronenplasmas hängt empfindlich von der Plasmatemperatur ab. Ultraschnelles Aufheizen und Abkühlen eines Plasmas im Halbleiter Zinkoxid (ZnO) führt zu deutlichen Änderungen der Plasmafrequenz. Dieses Phänomen birgt ein vielversprechendes Potential für ultraschnelle Schalter in der Optoelektronik.

Ein Plasma ist ein spezieller Zustand der Materie, in dem eine große Anzahl von Elektronen eine negativ geladene Wolke bildet, die sich gegenüber dem positiv geladenen Hintergrund der Ionen verschieben kann. Plasmen tauchen in einer Vielzahl von Systemen auf, dazu gehören heiße Sterne, die Ionosphäre und andere ionisierte Gase, sowie Festkörpermaterialien. Die elektrischen Kräfte zwischen Elektronen und Ionen ermöglichen zeitlich periodische Bewegungen der Elektronenenwolke gegenüber dem Ionenhintergrund, die sogenannten Plasmaschwingungen oder auch Plasmonen. Das Interesse an Plasmonen in Metallen und Halbleitern ist in letzter Zeit stark gewachsen. Deren herausragende optische Eigenschaften besitzen ein vielversprechendes Potential für Anwendungen in der Hochgeschwindigkeits-Optoelektronik und der optischen Mikroskopie mit Subwellenlängen-Auflösung.

Eine grundlegende und interessante Frage ist die folgende: Kann man Plasmaschwingungen mit Licht manipulieren, etwa ihre Frequenz ändern? Damit könnte man auf sehr kurzen Zeitskalen die elektrischen und optischen Eigenschaften schalten, ein ideales Instrument für die moderne Optoelektronik. In der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters [115, 147401 (2015)], hat ein Forscherteam aus dem Max-Born-Institut und der Humboldt Universität zu Berlin ein neues Konzept demonstriert, das ein ultraschnelles Schalten der Plasmonen im Halbleiter ZnO erlaubt (Movie). In ihren Experimenten untersuchten die Wissenschaftler Plasmaschwingungen in einer 100 Nanometer dicken, kristallinen ZnO Schicht, die eine hohe Dichte von ungefähr 1020 freien Elektronen pro Kubikzentimeter enthält. Ein Infrarot-Lichtimpuls von 150 fs Dauer (1 fs = 10-15 s) regte die Plasmaschwingungen an. Deren Frequenz wurde über die Infrarotabsorption des Plasmas mittels eines schwächeren Abtastimpulses zeitaufgelöst gemessen. Aus der Verschiebung der Absorptionslinie wurde die momentane Frequenz der Plasmaschwingungen bestimmt (Abbildung 1). Die Experimente zeigen eine deutliche Rotverschiebung, d.h. Verringerung der Plasmafrequenz. Die Erniedrigung um 20% hält jedoch nur 400 fs an, danach kehrt das System zur ursprünglichen Plasmafrequenz zurück. Im gesamten Zeitraum des Experimentes bleibt die Elektronendichte unverändert.

Die physikalische Ursache der Rotverschiebung liegt in dem vorübergehenden Aufheizen des Elektronenplasmas durch den infraroten Anregungsimpuls. Die Elektronen erreichen eine Spitzentemperatur von ca. ≈3300 K und bevölkern dabei einen weiten Bereich des Leitungsbandes von ZnO (Abbildung 2). In diesem Bereich ist die mittlere Elektronenmasse deutlich höher als im Ausgangszustand was zu einer Erniedrigung der Plasmafrequenz führt. Die heißen Elektronen verlieren den Löwenanteil ihrer Energie an das Kristallgitter innerhalb der ersten 400 fs mit der Folge, dass sowohl die mittlere Masse als auch die Plasmafrequenz zu ihren ursprünglichen Werten zurückkehren. Alle experimentellen Beobachtungen sind in exzellenter Übereinstimmung mit theoretischen Modellrechnungen.

Originalpublikation: Physical Review Letters 115, 147401
Ultrafast Nonlinear Response of Bulk Plasmons in Highly Doped ZnO Layers
Tobias Tyborski, Sascha Kalusniak, Sergey Sadofev, Fritz Henneberger, Michael Woerner, and Thomas Elsaesser 

Movie

Animation: Rechts: Plasmaschwingungen in einer dünnen ZnO-Schicht. Negativ geladene Elektronen (blaue Wolken) schwingen gegenüber positiv geladenen Ionen (rote Kugeln). Links: Solch eine Plasmaoszillation ähnelt stark einem klassischen Pendel, hier eine massive Kugel an einer elastischen Feder. (i) Zu negativen Zeiten t < 0 ist die Oszillationsfrequenz sehr hoch aufgrund der kleinen Masse der Elektronen. (ii) Während der Zeitspanne 0 < t < 100 fs (Zeitanzeige oben links) heizt der Anrege-Lichtimpuls das Elektronenplasma auf (Feuerzeuge darunter, Temperaturanzeige oben rechts). Als Folge erhält man eine größere Masse der Elektronen oder des Gewichts im Pendel. (iii) Für t >100 fs misst der Abtast-Lichtimpuls erneut die Schwingungsfrequenz, die jetzt einen deutlich niedrigeren Wert besitzt.


Abb. 1: Experimentell beobachtete zeitabhängige Verschiebung der

Plasmafrequenz in einer dünnen ZnO-Schicht. Links: 3D-Graphik der

Absorptionsänderung als Funktion der Abtastfrequenz und der

Verzögerungszeit zwischen Anreg- und Abtast-Lichtimpulsen. Rechts:

Konzept eines transienten Differenzspektrums. Das kalte Plasma (blau)

zeigt eine Absorptionslinie bei der Plasmafrequenz des kalten

Elektronengases. Der Anreg-Lichtimpuls heizt das Plasma, was zu einer

Rotverschiebung der Plasmonresonanz (rot) führt. In den zeitaufgelösten

Experimenten wird das sogenannte Differenzspektrum gemessen, d.h., die

Absorptionslinie des heißen Plasmas minus der des kalten Plasmas

(schwarz).

Abb. 2: Das Leitungsband von ZnO zeigt

eine sog. nicht-parabolische Bandstruktur, d.h., die Elektronenenergie

als Funktion des Elektronenimpulses folgt eher einer Hyperbel als einer

Parabel. Als Konsequenz sind die Elektronen am Minimum des

Leitungsbandes leichter (kleine Energie, kleine Masse) als die

Elektronen bei hohen Teilchenenergien (große Masse). Ein kaltes Plasma

(links) enthält im Wesentlichen leichte Elektronen, während ein heißes

Plasma (rechts) viele schwere Elektronen bei hohen Energien besitzt.

 

Kontakt

Dr. Michael Wörner Tel. 030 6392 1470
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