Pressemitteilung | IGB | 14-05-2010

Internationaler Tag der biologischen Vielfalt

Welche menschlichen Einflüsse gefährden unsere Binnengewässer? Das IGB infomiert auf einer Veranstaltung am 20. Mai über den Wert und die Gefährdung der biologischen Vielfalt in Binnengewässern.

Internationaler Tag der biologischen Vielfalt

 

Wir laden Sie herzlich ein zur Presseveranstaltung am 20. Mai 2010 von 10 bis 12 Uhr ins Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Anlässlich des Erscheinens des Global Biodiversity Outlook (GBO3) und des internationalen Tages der biologischen Vielfalt am 22. Mai 2010 informieren wir Sie gerne über den Wert und die Gefährdung der biologischen Vielfalt in Binnengewässern.

Programm:
Kurzvortrag von Prof. Dr. Klement Tockner (Direktor des IGB): „ Die Biodiversitätskrise in Binnengewässern“; Impulsvorträge von Dr. Rita Adrian (Klimafolgenforschung), Prof. Dr. Werner Kloas (Pharmaka in Gewässern) und Dr. Franz Hölker (Verlust der Nacht)

Bootstour zur Messstation auf dem Müggelsee, Führung hinter die Kulissen der Gewässerforschung: Aquarienhalle mit Aufzucht von Stören, Aquaponikanlage zur emissionsfreien Produktion von Fischen und Tomaten, Durchflussanlage zur Untersuchung der Einwirkung von Pharmaka auf die Entwicklung von Krallenfröschen, usw.

Zu den Themen:

Welche menschlichen Einflüsse gefährden unsere Binnengewässer?
Der gerade erschienene Global Biodiversity Outlook 3 (GBO3) zeigt: Die Binnengewässer gehören weltweit zu den am stärksten gefährdeten Ökosystemen. Dabei bilden ihre Ökosystemdienstleistungen, wie die Bereitstellung von Trinkwasser und Nahrung, die Speicherung von Kohlenstoff, Erholung, etc., maßgeblich die Grundlage des menschlichen Lebens. Gleichzeitig sind Binnengewässer gute Beispiele für sprunghafte Veränderungen: Werden bestimmte Schwellenwerte überschritten (Tipping-Points), können sich die Lebensbedingungen im Gewässer schlagartig wandeln. Und mit ihnen die Artenzusammensetzungen und ihre Dienstleistungen. Wie im Falle der Eutrophierung eines Gewässers verhält sich eine ansteigende Einwirkung (z.B. die Erhöhung der Nährstoffe durch Überdüngung) nicht linear zu ihren Folgen (z.B. Algenwuchs), vielmehr beschleunigen sich ab einem bestimmten Punkt die abhängigen Prozesse durch Rückkopplungseffekte rasant, das Gewässer "kippt". Verschiedene Faktoren verändern als Folge unserer menschlichen Lebensweise dauerhaft unsere Gewässer und bedrohen damit auch die genannten Dienstleistungen. Am Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) untersuchen Wissenschaftler diese Faktoren in verschiedenen Projekten und stellen sie Journalisten am 20. Mai in Form einer Führung hinter die Kulissen der Forschung und einer Bootstour zur Messstation auf dem Müggelsee vor.

Thema „Klimafolgenforschung am Müggelsee“
Durch den Klimawandel werden in Berlin und Brandenburg Winter tendenziell wärmer und niederschlagsreicher, die Sommer zunehmend wärmer und trockener. Das wirkt sich auch auf die Binnengewässer aus. Der Müggelsee, größter See Berlins, hat sich in den letzten 30 Jahren in den Sommermonaten im Durchschnitt um etwa zwei Grad Celsius erwärmt. Das führt zum einen zu stärkerem Algenwachstum, außerdem können Massenansammlungen von Cyanobakterien, im Volksmund Blaualgen genannt, wieder häufiger auftreten. Diese Bakterien sorgen immer wieder für übelriechende grüne Aufrahmungen und aufgrund Ihrer potenziellen Gesundheitsgefährdung für die Sperrung von Badestellen.
Untersuchungen von Dr. Rita Adrian vom IGB Berlin haben gezeigt, dass vornehmlich indirekte Temperatureffekte wie die Zunahme stabiler Schichtungsperioden im Sommer das Wachstum von Cyanobakterien begünstigen. Diese Begünstigung findet jedoch nur innerhalb kritischer Grenzkonzentrationen des Gesamtphosphors statt. Klimainduzierte Veränderungen im thermischen Schichtungsverhalten von über drei Wochen Länge geben letztendlich den Ausschlag. In langen Warmphasen bildet der Müggelsee stabile Temperaturschichten aus. In diesem Zustand bauen Bakterien unter Sauerstoffverbrauch abgestorbene Tier- und Pflanzenteile ab, was zu einem starken Abfall des Sauerstoffgehalts in den unteren Schichten führt. Unter diesen anaeroben Bedingungen lösen sich Phosphorverbindungen aus dem Sediment. Der See düngt sich selbst, wovon die Cyanobakterien am stärksten profitieren. „Der kritische Grenzwert der Gesamtphosphorkonzentrationen zur Verhinderung von Cyanobakterienblüten liegt bei unter 70 Mikrogramm pro Liter im Wasser, diese kritische Marke wird jedoch meist weit überschritten“, meint Adrian.
Der Müggelsee ist Teil des Global Lake Ecological Observatory Network (GLEON), um die Auswirkungen des Klimwandels auf Seen zu untersuchen. Das IGB hat auf dem See eine Messstation installiert, die in regelmäßigen Abständen die hydrologischen und meteorologischen Daten aus Wasser und Luft bestimmt.

Kontakt:

Dr. Rita Adrian, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
Tel: 030 641 81 684, adrianigb-berlin.de


Thema "Pharmaka – eine weitere Gefahr für aquatische Ökosysteme?"
Eine der Entdeckungen, die Professor Werner Kloas machen musste, war, dass ein Abbauprodukt von Pflanzenschutzmitteln, Ethylenthiouracil, durch die Hemmung des Schilddrüsensystems die Entwicklung von Krallenfröschen bremst, so dass sich Kaulquappen nicht mehr zum Frosch entwickeln können. Was der Biologe im Labor des IGB-Berlin an Versuchstieren induziert hat, findet auch in unseren Gewässern statt. Denn auch wenn es sich meistens um verschwindend geringe Mengen handelt, die nach der Kläranlage in die Gewässer gelangen: Reste hoch wirksamer Substanzen wie Pestizide, Substanzen aus der Plastikherstellung und vor allem Arzneimittel sind im aquatischen Ökosystem überall vorhanden. „Für den Menschen ist dies in der Regel zumindest ungefährlich, da wir das Badewasser nicht trinken. Doch diese Stoffe können die Entwicklung der Lebewesen im Gewässer erheblich beeinflussen, weiß Kloas. Unter dem Einfluss künstlicher Hormone (Östrogene, Gestagene, Antiandrogene) kann sich das Geschlechterverhältnis bei Fischen und Amphibien stark in Richtung Verweiblichung verschieben, bei den Männchen sinkt die Fruchtbarkeit/Spermienproduktion dramatisch und das Balzverhalten, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Fortpflanzung, kann ausbleiben, was auf Dauer die Fortpflanzung und damit das Überleben der Population gefährdet.
Welche Stoffe für die aquatischen Organismen wirklich problematisch sind, ist wenig bekannt, da bei der Entwicklung die Pharmaindustrie ökologische Auswirkungen bisher nicht berücksichtigt wurden. Diese Wissenslücke wollen Kloas und seine Kollegen des Verbundprojektes PAKT (Pharmaka in aquatischen Ökosystemen) nun schließen. Wir haben in unserem Wasser Schmerzmittel, Anti-Epileptika, Blutfettsenker, Betablocker sowie Hormone aus der Mini-Pille gefunden. Diese Medikamente beeinflussen schon unseren Organismus weitreichend. Es ist also wahrscheinlich, dass dies auch im Tierreich passiert. An Zebrafischen, Krallenfröschen, Wasserflöhen, Zebramuscheln, Hornkraut sowie Grün- und Blaualgen testen die Forscher, welche Organismen anfällig gegenüber diesen Stoffen sind, wie sie sich verändern und bei welchen Konzentration dies geschieht. Da sich jede heftige physiologische Veränderung als Stress bei Organismen darstellt, lassen sich die Auswirkungen von Pharmaka bei den verschiedenen Organismen durch die Betrachtung der Genexpression verschiedener Stress-Biomarker aufzeigen. "Wenn eine Stressreaktion stattfindet, werden etwa 20 bis 30 Gene aktiv. Diese für jeden Organismus charakteristischen Gene müssen wir zunächst einmal herausfiltern", sagt Kloas. Am Ende soll eine verlässliche Methode zur Risikobewertung stehen, mit der klar festgestellt werden kann, welche Wirkstoffe ökologische Auswirkungen haben und somit aus dem Wasser entfernt werden sollten bzw. nicht in die Umwelt gelangen dürfen

Kontakt:.

Prof. Dr. rer. nat. Werner Kloas, Aquakultur und Ökophysiologie
Tel: 030 64 181 630, werner.kloasigb-berlin.de


Thema „Verlust der Nacht“
Ein tagheller Nachthimmel, künstlich angestrahlt durch unzählige Lichter. Da Licht positiv mit Werten wie Sicherheit, Wohlstand und Modernität besetzt ist, neigen wir dazu, unsere Umgebung intensiv zu beleuchten. Doch was unschätzbare Vorteile bringt, hat auch eine Schattenseite: Die Lichtverschmutzung nimmt zu, mit bisher unbekannten Auswirkungen auf Mensch und Natur. In dem interdisziplinären Forschungsverbund „Verlust der Nacht“ untersuchen Wissenschaftler nun erstmals gemeinsam die ökologischen, gesundheitlichen sowie kulturellen und sozioökonomischen Auswirkungen, aber auch die Ursachen für die zunehmende Beleuchtung der Nacht. Ziel ist es auch, die Verteilung von Licht in urbanen und periurbanen Räumen zu quantifizieren und kritische Grenzwerte zu ermitteln. Auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse sollen intelligente Beleuchtungskonzepte und nachhaltige Techniken entstehen. Das IGB koordiniert das Projekt mit neun Partnern. Die Arbeitsgruppe von Franz Hölker will vor allem die Folgen der Lichtverschmutzung auf aquatische Systeme untersuchen. Je nach Lichtstärke, Farbspektrum sowie Zeitpunkt und Dauer der Beleuchtung kann jede einzelne künstliche Lichtquelle negative Folgen auf lichtsensible – zumeinst nachtaktive –Organismen haben. Rund 30 Prozent aller Wirbeltiere und mehr als 60 Prozent aller Wirbellosen sind nachtaktiv. „Es sind dringend Schwellenwerte festzulegen, erst wenn wir wissen, wie viel und welches Licht notwendig und zumutbar ist, können wir die optimale Beleuchtung für unterschiedliche raumzeitliche Kontexte entwickeln“, so Hölker.

Kontakt:

Dr. Franz Hölker
Ökohydrologie, Tel: 030/64181665, hoelker@igb-berlin.de


Unverbindliche Anmeldung bitte an:
Nadja Neumann, Pressesprecherin, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Müggelseedamm 310, 12587 Berlin, Tel: 030/64181631, E-Mail: nadja.neumann@igb-berlin.de

Weitere Informationen:
http://www.biodiversity.de - Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NeFo) mit Infos zum GBO3 und nationalen Veranstaltungen