Pressemitteilung | FVB | 06-11-2023

Laserdioden für Höchstleistung und Infrarotlicht gegen Krebs

Der Forschungsverbund Berlin zeichnet die wegweisenden Dissertationsarbeiten von Dr. Nasibeh Haghighi und Dr. Carla Kirschbaum mit dem Marthe-Vogt-Preis aus.

Dr. Nasibeh Haghighi und Dr. Carla Kirschbaum (v.l.) | Fotos: privat, Isil Senol

So unterschiedlich ihre Arbeiten auch sind, haben sie doch eines gemein: Sie bringen buchstäblich Licht in zukunftsweisende Technologien. Dr. Nasibeh Haghighi forscht an neuartigen Laserdioden-Strukturen für die Beleuchtung sowie zur Erkennung und Verfolgung von Objekten. Dr. Carla Kirschbaum kombiniert Massenspektrometrie und Infrarotspektroskopie, um feinste Unterschiede in Lipiden zu erkennen, womit sich beispielsweise veränderte Molekülstrukturen in Krebszellen erkennen lassen.

Die Verleihung des Marthe-Vogt-Preises, der jeweils mit 3.000 Euro dotiert ist, findet im Rahmen der „Berlin Science Week“ am 8. November 2023 um 18 Uhr im Haus der Leibniz-Gemeinschaft in Berlin-Mitte statt. Als Festrednerin wird Dr. Bahar Haghanipour, Vizepräsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, erwartet.

„Nasibeh Haghighi leistet Pionierarbeit auf dem Gebiet der Vertical Cavity Surface Emitting Lasers (VCSEL). Durch ihren interdisziplinären Ansatz gelingen ihr Rekordwerte in der Kombination von optischer Leistung, Bandbreite und Effizienz, die für den gesellschaftlichen Ansatz wesentlich sein werden“, urteilte die Preiskommission.

Die Physikerin entwarf und analysierte VCSEL-Laserdioden-Systeme, die aus nanometerdünnen, kristallinen Aluminium-Gallium-Arsenid-Schichten aufgebaut sind. Sie sind kleiner als ein Stecknadelkopf, extrem schnell, effizient und leicht in Massenproduktion herstellbar. Sie könnten künftig milliardenfach in Beleuchtungssystemen, als Augen in Fertigungsrobotern, für virtuelle Realität sowie in autonomen Fahrzeugen eingesetzt werden. Wireless Fidelity (WiFi)- und Mobilfunknetze können Daten damit zehn- bis hundertfach schneller und energieeffizienter übertragen. Die Industrie entwickelt sie bereits zur Produktreife.

Nasibeh Haghighi beindruckte ihren Mentor Prof. James A. Lott aber nicht nur mit ihrer exzellenten Forschung, sondern auch wegen der Beharrlichkeit und Energie, mit der sie ihren Weg verfolgt. Die Chemikerin stammt aus dem kurdischen Teil des Nordwest-Irans und studierte an den Universitäten in Kermanschah und Sanandadsch. Während ihrer Masterarbeit zog sie nach Teheran, gründete ein Start-up und suchte eine Promotionsstelle im Ausland. Die bekam sie 2017 an der Technischen Universität Berlin im Rahmen des SFB 787 „Halbleiter-Nanophotonik: Materialien, Modelle, Geräte“ gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sie promovierte im Dezember 2021 mit summa cum laude und begann sofort ihre Postdoc-Stelle am Ferdinand-Braun-Institut in Berlin.

Woher nimmt sie diese Energie? „Ich habe eine unheimlich enge, unterstützende Familie, die Bildung, Gemeinschaft und Abenteuer schätzt“, sagt Nasibeh Haghighi. Der Marthe-Vogt-Preis ermutige sie, weiter hart zu arbeiten, zu träumen und den Weg zu gehen, der weniger ausgetreten ist. „Ich bin Deutschland und seinen Menschen sehr dankbar, dass sie meine Forschung finanziert und mir die Möglichkeit gegeben haben, das Leben in Europa kennenzulernen.“ Nasibeh Haghighi wird bleiben und ist inzwischen Projektleiterin in der Laserchip-Entwicklung bei ams OSRAM in Regensburg.

Für die zweite Preisträgerin, die Berlinerin Carla Kirschbaum, begann alles mit komplizierten Matheaufgaben in der Schule. An theoretischen Problemen dran zu bleiben, bis sie alles verstanden und gelöst hatte, war ihr Faible. Sie studierte Chemie an der Freien Universität Berlin und ging während ihres Masterstudiums für Forschungspraktika an die École Normale Supérieure und die Sorbonne nach Paris. Ihre Promotion an der Freien Universität Berlin und dem Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft schloss sie im März 2023 mit summa cum laude ab – und das im Alter von erst 25 Jahren.

Carla Kirschbaum entwickelte innovative Ansätze für die komplexe Strukturanalytik von Lipiden. „In beeindruckender Weise konnte sie zeigen, dass aus kleinsten biologischen Probenmengen mittels Infrarotspektroskopie diagnostische Details abgeleitet werden können“, würdigt die Preiskommission. Da mehr als die Hälfte der zugelassenen Medikamente auf Membranproteine abzielen, sei Kirschbaums Methode laut Jury hochrelevant für die Identifizierung von Lipiden, die spezifisch an diesen Proteinen binden und deren Funktion modulieren.

Das Problem an Lipiden: Sie besitzen zwar oft die gleiche Masse – aber verschiedene Strukturen. Solche sogenannten Isomere sind zum Beispiel Omega-3- und -6-Fettsäuren, die sich nur in der Position der ersten Doppelbindung in der Lipidkette unterscheiden. Gängige Analysemethoden wie die Massenspektrometrie versagen hier. Bei Glykolipiden bestimmt die Verknüpfung zwischen dem Lipid und dem Zuckerrest derart ihre dreidimensionale Form, dass ihre Funktion in der Zelle eine völlig andere sein kann.

„Infrarotspektroskopie ist sehr sensitiv gegenüber der chemischen Umgebung von schwingenden Atomen und die Infrarotspektren von Isomeren sehen sehr verschieden aus“, erklärt Carla Kirschbaum. Für ihre „Lipid-Fingerprint-Analyse“ friert die Forscherin Proben in superfluiden Helium-Tröpfchen ein und beschießt sie mit einem Freie-Elektronen-Infrarotlaser. Dadurch werden die Lipide zum Schwingen angeregt und anschließend im Massenspektrometer detektiert. So lassen sich krankheitsrelevante Veränderungen an Fettsäuren schon in kleinsten Mengen identifizieren.

Kirschbaums Mentor Prof. Kevin Pagel sieht in ihr „die geborene Wissenschaftlerin“. Weil sie in der Lage sei, komplexe Zusammenhänge schnell zu durchschauen und mit ihrem scharfen Verstand Dogmen kritisch zu hinterfragen. Inzwischen forscht Carla Kirschbaum an der Universität Oxford, wo sie Interaktionen zwischen Membranproteinen und Lipiden untersucht. Was bedeutet ihr der Preis? „Es ist für mich eine große Ehre – zumal ich bei Max-Planck promoviert habe. Also quasi bei der Konkurrenz.“

Mit dem Marthe-Vogt-Preis werden herausragende Promotionen von Wissenschaftlerinnen in Bereichen gewürdigt, in denen auch die Institute des Forschungsverbundes Berlin forschen. Die Arbeit muss jedoch nicht an einem der Institute entstanden sein. Der Preis erinnert an die deutsche Pharmakologin Marthe Louise Vogt (1903 – 2003), deren Arbeit wesentlich zum Verständnis des Neurotransmitters Adrenalin beigetragen hat.

Text: Catarina Pietschmann