Pressemitteilung | MBI | 05-10-2020

Licht verwirbelt Magnetisierung – Laserlichtpulse ermöglichen schnellere Erzeugung von Skyrmionen in Magneten

Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern angeführt vom Max-Born-Institut (MBI), Berlin, und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), USA, hat herausgefunden, wie Magnetisierungsmuster, die Skyrmionen genannt werden, in einem Ferromagneten schneller erzeugt werden können als bisher bekannt.

Abb. 1: Ein Laserlichtpuls verwandelt die gleichmäßige Magnetisierung (überall nach unten gerichtet) einer dünnen magnetischen Schicht in einen Skyrmionenwirbel, wo die Magnetisierung im Zentrum nach oben zeigt. Diese Umwandlung ändert auch die sogenannte Topologie des Systems. | MBI

Die Forscherinnen und Forscher haben aufgeklärt, wie sich die Topologie des magnetischen Systems dabei ändert. Wie sie im Fachjournal Nature Materials berichten, bieten die Ergebnisse fundamentale Einblicke in topologische Phasenübergänge und beflügeln neue Ideen, wie magnetische Skyrmionen für die Informationstechnologie genutzt werden können.

Magnetische Skyrmionen bezeichnen kleine Wirbel in der Magnetisierung von dünnen magnetischen Schichten, wo die Magnetisierung in verschiedene Richtungen zeigt, wie es in der ersten Abbildung gezeigt wird. Es stellt sich heraus, dass ein bestimmtes Magnetisierungsmuster durch seine Topologie charakterisiert werden kann – ein mathematisches Konzept, um die Form oder Geometrie eines Körpers, einer Menge oder – wie in diesem Fall – eines physikalischen Feldes zu beschreiben (siehe Infobox über Topologie). Wichtig ist, dass sich die Topologie eines Skyrmions von der eines Zustands unterscheidet, in dem die Magnetisierung überall in die gleiche Richtung ausgerichtet ist. Wenn sich also das Magnetisierungsmuster ändert, muss sich auch die Topologie des Systems ändern. Dieser Umstand trägt zur Stabilität der Skymionenwirbel bei und macht es schwer, sie schnell zu erzeugen.

Für seine Arbeit nutzte das Team zuerst Röntgen- und Elektronenmikroskopie, um die nanometer-großen Skyrmionen sichtbar zu machen. Dabei zeigte sich, dass ein einzelner Lichtpuls eines Lasers mit ausreichend hoher Intensität ausreicht, um Skyrmionen mit einer festgelegten Topologie – also einer bestimmten Wirbelform der Magnetisierung – zu erzeugen.

In einem zweiten Schritt gingen die Forscherinnen und Forscher der Frage nach, wie der Laserpuls die Änderung der Topologie hervorruft und wie genau der Übergang von einer gleichmäßigen Magnetisierung zu Skyrmionen vonstatten geht. Dazu führten sie Streuexperimente mit Röntgenstrahlen am Röntgenlaser in Hamburg (European XFEL) durch, bei denen die Ablenkung der Röntgenstrahlen durch die Skymionen gemessen wird. Indem die Physikerinnen und Physiker die magnetische Schicht zuerst mit einem optischen Laser und dann mit dem Röntgenlaser beschossen haben, konnten sie zeigen, wie sich die Größe und der Abstand der Skyrmionen mit der Zeit verändern. Überraschenderweise war die Änderung der Topologie schon nach 300 Pikosekunden beendet. Damit lief die Erzeugung der Skyrmionen schneller ab, als bisher für andere ferromagnetische Systeme beobachtet. Durch den Vergleich der experimentellen Daten mit theoretischen Simulationen konnte das Wissenschaftsteam außerdem erklären, wie die topologische Umwandlung zustande kommt. Der Laser heizt die magnetische Schicht bis zu einem Zustand, in dem die Magnetisierung in kleine, unabhängig von einander fluktuierende Bereiche aufbricht, in denen sich die Magnetisierungsrichtung rasant ändert. In diesem Zustand topologischer Fluktuationen ist die zu überwindende Energiebarriere für die Erzeugung von Skyrmionen stark abgesenkt und es entstehen und verschwinden ständig Skyrmionen. Wenn sich das System nach der Erhitzung durch den Laser wieder abkühlt, erstarren einige dieser Skyrmionenkeime und wachsen in der Folge zu der Größe, die in den mikroskopischen Aufnahmen beobachtet wurde.

Angesichts der Tatsache, dass Skyrmionen eine Größe von nur zehn Nanometern haben können und trotzdem noch stabil bei Raumtemperatur sind, ergeben sich aus diesen Ergebnissen interessante Perspektiven für zukünftige Konzepte der magnetisch basierten Datenverarbeitung und -speicherung. Schon heute ist die Größe der Bits auf einer Festplatte dadurch beschränkt, ob ein Magnet in der Lage ist, diese sehr kleinen, aber auch sehr dauerhaften Bits neu zu beschreiben, also umzumagnetisieren. Die Technologie, die Bits örtlich mit einem Laser aufzuheizen und damit magnetisch „weich“ zu machen, ist bereits in der Entwicklung, um noch höhere Speicherdichten zu erreichen. Die Erzeugung von Skyrmionen mit Lasern könnte diesem Konzept einen neuen Dreh verleihen.



Die Topologie ist ein Konzept aus der Mathematik, um die Form oder Geometrie beispielsweise von Köpern zu beschreiben und zu unterscheiden. In der Physik wird dieses Konzept auch auf Vektorfelder wie die Magnetisierungsmuster in einer dünnen Schicht eines Materials angewendet. Zwei Körper haben die gleiche Topologie, wenn sie nur durch sogenannte kontinuierliche Transformationen in einander überführt werden können. Dazu zählen Dehnen, Stauchen, Verbiegen und Verdrehen, aber nicht Schneiden und Kleben.

Das führt zu dem Ergebnis, dass eine Tasse und ein Donut die gleiche Topologie teilen. Das kann man sich gut mit einer Tasse aus Modelliermasse vorstellen. Durch geschicktes Bearbeiten der Masse ist es möglich, aus der Tasse einen Donut zu formen, ohne die Masse Schneiden oder Kleben zu müssen. Anders verhält es sich, versucht man einen Donut aus einem Löffel zu formen. An irgendeinem Punkt muss man entweder das Donut-Loch in die Masse schneiden oder die zwei Enden einer Rolle mit einander verkleben. Löffel und Donut können also anhand ihrer Topologie unterschieden werden. In der Physik wird oft angenommen, dass eine gewisse Energiebarriere überwunden werden muss, um die Topologie eines Systems zu ändern.

 

Büttner, F., Pfau, B., Böttcher, M. et al. Observation of fluctuation-mediated picosecond nucleation of a topological phase. Nat. Mater. (2020).
doi: 10.1038/s41563-020-00807-1, full version (view-only): https://rdcu.be/b76iq

Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI)

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