Pressemitteilung | | 27-06-2011

Mehr Bürokratie durch neues Berliner Vergabegesetz

Im Juli des vergangenen Jahres wurde das neue Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) in Kraft gesetzt. Durch dieses Gesetz soll sichergestellt werden, dass die Vergabestellen des Landes Berlin bei Ausschreibungen oberhalb einer Wertgrenze von 500 Euro neben der Wirtschaftlichkeit auch andere Kriterien berücksichtigen.

 

Im Juli des vergangenen Jahres wurde das neue Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) in Kraft gesetzt. Durch dieses Gesetz soll sichergestellt werden, dass die Vergabestellen des Landes Berlin bei Ausschreibungen oberhalb einer Wertgrenze von 500 Euro neben der Wirtschaftlichkeit auch andere Kriterien berücksichtigen. Dazu zählen Tariftreue und Mindestentlohnung, umweltverträgliche Beschaffung, Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen (u.a. Verbot von Kinderarbeit), Frauenförderung und bevorzugte Vergabe bei Ausbildung. 

Um eine Ausschreibung nach diesen „vergabefremden“ Kriterien korrekt abzuwickeln, muss der Bieter ein Präqualifikationsverfahren durchlaufen. Hier erklärt er in einem Formular mit entsprechenden Nachweisen die genannten Anforderungen einzuhalten, stimmt Kontrollmaßnahmen des Ausschreibenden zu und akzeptiert für den Fall des Verstoßes Vertragsstrafen. Ein Bieter, der diese Vorgaben nicht akzeptiert, ist von der Vergabe auszuschließen. Da das Gesetz explizit auf den einzelnen Beschaffungsvorgang abzielt, muss dieser Vorgang theoretisch für jede neue Beschaffung wiederholt werden. 

Der Forschungsverbund Berlin (FVB) erkennt zwar die politischen Ziele des BerlAVG an, sieht allerdings erhebliche Probleme in der Umsetzung. Ob die Einfügung politischer Zielsetzungen in das Vergabeverfahren der geeignete Weg ist, bleibt fraglich. Die ersten Erfahrungen zeigen nämlich, dass der bürokratische Aufwand stark steigt und Beschaffungsvorgänge verteuert und verzögert werden, da die Unterlagen umfangreich und erklärungsbedürftig sind. Dies stellt sowohl die Beschaffungsstellen als auch die möglichen Bieter vor große Schwierigkeiten. Vielen möglichen Lieferanten fehlt auch das Verständnis für die neuen Anforderungen. Da es im Wissenschaftsbetrieb oftmals auch nur wenige Spezialanbieter weltweit gibt, kann deren Ausfallen sogar ganze Forschungsprojekte blockieren. Aus diesen Gründen tritt der FVB gegenüber der Politik für die Berücksichtigung der Sonderrolle von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen ein. Die Verwaltung des FVB hat zwar in Zusammenarbeit mit den Instituten bereits praktische Verfahren entwickelt, um die Zusatzbelastungen so gering wie möglich zu halten. Bis zu einer Überarbeitung der Vorgaben durch den Gesetzgeber werden Beschaffungen im FVB jedoch deutlich mehr Zeit brauchen.

Johannes Höper, Interner Revisor FVB