Pressemitteilung | FMP | 11-03-2010

Molekulare Lichtschalter

Moleküle, die erst bei Bestrahlung mit Licht ihre biologische Funktion entfalten, können an genau definierter Stelle im Organismus „angeschaltet“ werden. Das kann Nebenwirkungen drastisch reduzieren. Hier muss auf jeden Fall noch eine Zeile mehr hin.

Molekulare Lichtschalter

Sekundärstruktur einer ß-Haarnadel.|Abbildung: Regan et al. Acc. Chem. Res. 1997, 30, 153-161

 

Moleküle, die erst bei

Bestrahlung mit

Licht ihre biologische Funktion entfalten, können an genau definierter

Stelle

im Organismus „angeschaltet“ werden. Das kann Nebenwirkungen drastisch

reduzieren.

Wissenschaftlern

vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und von der Technischen

Universität Berlin ist es gelungen, solche lichtsensiblen molekularen

Strukturen zu entwickeln. Als Vorbild diente ihnen dabei der Sehprozess im

Auge.

Lösliche

Substanzen, also auch Medikamente, werden in der Regel im Gießkannenprinzip im

Körper verteilt. Sie erreichen so zwar ihre Zielproteine – allerdings auch

dort, wo dies gar nicht erwünscht ist. Wissenschaftler versuchen daher Methoden

zu entwickeln, mit denen sie die Funktion von Wirkstoffen räumlich und zeitlich

genau steuern können. Um ein ausgewähltes Areal von Zellen – etwa die Zellen

eines Tumors – zu erreichen, muss der entsprechende Wirkstoff möglichst örtlich

begrenzt in eine aktive Form überführt werden und beim Verlassen des Areals

wieder in die inaktive Form überführbar sein. Wissenschaftlern vom

Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) ist ein entscheidender

Schritt in diese Richtung gelungen: Sie haben einen Lichtschalter in ein

Peptidmodell eingefügt, das einen Teil eines biologisch aktiven Proteins

modelliert. Befindet sich der Schalter im Grundzustand, hindert er das Peptid

daran, an das Protein zu binden. Wird der Schalter durch Bestrahlung

„umgelegt“, lässt er die Bindung des Peptids an sein Zielprotein zu. Christian

Hoppmann vom FMP erläutert: „Mit diesem Modellpeptid können wir die

entsprechende natürliche Protein-Protein-Wechselwirkung und damit die

entsprechende Signalkette mittels Licht steuern.“

Ein Peptid

ist ein kleines Protein, wie dieses besteht es aus Aminosäuren in einer

definierten Reihenfolge, die die biologische Information zur Wechselwirkung mit

anderen Molekülen wie Proteinen enthält. Ein bekanntes Peptid ist Insulin zur

Regulierung des Blutzuckerspiegels, ebenso Gastrin, das die Produktion von

Magensäure anregt. Peptide beeinflussen also gezielt Funktionen des Körpers –

genau das sollen auch Medikamente tun – und darüber hinaus haben sie als

körpereigene Substanzen den Vorteil, kaum Abwehrreaktionen des Körpers

hervorzurufen. Peptide können ihre Form verändern, indem sie untereinander

Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden. Diese sogenannte Sekundärstruktur kann eine Helix, also eine Spirale, oder ein Haarnadel-β-Faltblatt

sein. Gelingt es mit Hilfe eines molekularen Schalters, in einem Peptid, die

Sekundärstruktur zu destabilisieren oder zu fördern, lässt sich damit die

Peptideigenschaft kontrollieren.

Der

molekulare Schalter, den die FMP-Wissenschaftler in das Peptid eingebaut haben,

liegt im Grundzustand in einer gestreckten Form vor, der sogenannten trans-Form. In dieser gestreckten Form

hält der Schalter die beiden Ketten des Peptids auseinander und hindert sie

daran, eine Sekundärstruktur zu bilden. Durch Bestrahlung mit UV-Licht der

Wellenlänge von ca. 330 Nanometern wird der Schalter in die sogenannte cis-Form überführt, die den beiden

flankierenden Peptidketten erlaubt, miteinander Wasserstoffbrückenbindungen und

damit eine Sekundärstruktur auszubilden. Mit dem Schalter in der cis-Form wandelt sich das Peptid also in die für die Wechselwirkung mit dem Protein notwendige Haarnadel-β-Faltblattstruktur

um. Das Peptid bindet so an die spezifischen Stellen im Protein. Christian

Hoppmann sagt: „Wir haben uns das Prinzip beim Sehprozess abgeguckt. Beim Sehen

passiert nämlich auf der Retina genau das Gleiche: Durch Lichteinfall wird in

dem natürlichen Schaltersystem ein Übergang von cis- zu trans-Form

bewirkt, wodurch eine Strukturänderung in dem beteiligten Protein ausgelöst und

das Signal übertragen wird.“

Im

FMP ist es gelungen, das erste wasserlösliche, lichtschaltbare Peptidmodell

einer Haarnadel-β-Faltblattstruktur zu entwickeln,

deren biologische Funktion mit Licht gesteuert werden kann. Diese sind in einer

Vielzahl biologisch wichtiger Proteinwechselwirkungen involviert.

Hoppmann,

Christian el al.: Lichtgesteuerte

Proteinbindung einer biologisch relevanten β-Faltblattstruktur. In: Angewandte Chemie 2009-121/36, DOI 10.1002/ange.200901933

Aminosäure

Aminosäuresequenz (Primärstruktur) mit den Aminosäureresten
Abb.Acc. Chem. Res. 1997, 30, 153-161

 

FMP-Peptid

 

 

Beim Schalter in gestreckter trans-Form passt das Peptid nicht in die Bindungstasche des Proteins, bei gefalteter cis-Form nimmt das Peptid die Form des Haarnadel-ß-Faltblatts an und kann wechselwirken. Abb.: Hoppmann

Kontakt:

Dipl.Chemiker Christian Hoppmann
Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP), Abteilung Peptidchemie
Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin, Tel. +49 30 947 93 240
E-mail: hoppmannfmp-berlin.de