Moleküle, die erst bei
Bestrahlung mit
Licht ihre biologische Funktion entfalten, können an genau definierter
Stelle
im Organismus „angeschaltet“ werden. Das kann Nebenwirkungen drastisch
reduzieren.
Wissenschaftlern
vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und von der Technischen
Universität Berlin ist es gelungen, solche lichtsensiblen molekularen
Strukturen zu entwickeln. Als Vorbild diente ihnen dabei der Sehprozess im
Auge.
Lösliche
Substanzen, also auch Medikamente, werden in der Regel im Gießkannenprinzip im
Körper verteilt. Sie erreichen so zwar ihre Zielproteine – allerdings auch
dort, wo dies gar nicht erwünscht ist. Wissenschaftler versuchen daher Methoden
zu entwickeln, mit denen sie die Funktion von Wirkstoffen räumlich und zeitlich
genau steuern können. Um ein ausgewähltes Areal von Zellen – etwa die Zellen
eines Tumors – zu erreichen, muss der entsprechende Wirkstoff möglichst örtlich
begrenzt in eine aktive Form überführt werden und beim Verlassen des Areals
wieder in die inaktive Form überführbar sein. Wissenschaftlern vom
Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) ist ein entscheidender
Schritt in diese Richtung gelungen: Sie haben einen Lichtschalter in ein
Peptidmodell eingefügt, das einen Teil eines biologisch aktiven Proteins
modelliert. Befindet sich der Schalter im Grundzustand, hindert er das Peptid
daran, an das Protein zu binden. Wird der Schalter durch Bestrahlung
„umgelegt“, lässt er die Bindung des Peptids an sein Zielprotein zu. Christian
Hoppmann vom FMP erläutert: „Mit diesem Modellpeptid können wir die
entsprechende natürliche Protein-Protein-Wechselwirkung und damit die
entsprechende Signalkette mittels Licht steuern.“
Ein Peptid
ist ein kleines Protein, wie dieses besteht es aus Aminosäuren in einer
definierten Reihenfolge, die die biologische Information zur Wechselwirkung mit
anderen Molekülen wie Proteinen enthält. Ein bekanntes Peptid ist Insulin zur
Regulierung des Blutzuckerspiegels, ebenso Gastrin, das die Produktion von
Magensäure anregt. Peptide beeinflussen also gezielt Funktionen des Körpers –
genau das sollen auch Medikamente tun – und darüber hinaus haben sie als
körpereigene Substanzen den Vorteil, kaum Abwehrreaktionen des Körpers
hervorzurufen. Peptide können ihre Form verändern, indem sie untereinander
Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden. Diese sogenannte Sekundärstruktur kann eine Helix, also eine Spirale, oder ein Haarnadel-β-Faltblatt
sein. Gelingt es mit Hilfe eines molekularen Schalters, in einem Peptid, die
Sekundärstruktur zu destabilisieren oder zu fördern, lässt sich damit die
Peptideigenschaft kontrollieren.
Der
molekulare Schalter, den die FMP-Wissenschaftler in das Peptid eingebaut haben,
liegt im Grundzustand in einer gestreckten Form vor, der sogenannten trans-Form. In dieser gestreckten Form
hält der Schalter die beiden Ketten des Peptids auseinander und hindert sie
daran, eine Sekundärstruktur zu bilden. Durch Bestrahlung mit UV-Licht der
Wellenlänge von ca. 330 Nanometern wird der Schalter in die sogenannte cis-Form überführt, die den beiden
flankierenden Peptidketten erlaubt, miteinander Wasserstoffbrückenbindungen und
damit eine Sekundärstruktur auszubilden. Mit dem Schalter in der cis-Form wandelt sich das Peptid also in die für die Wechselwirkung mit dem Protein notwendige Haarnadel-β-Faltblattstruktur
um. Das Peptid bindet so an die spezifischen Stellen im Protein. Christian
Hoppmann sagt: „Wir haben uns das Prinzip beim Sehprozess abgeguckt. Beim Sehen
passiert nämlich auf der Retina genau das Gleiche: Durch Lichteinfall wird in
dem natürlichen Schaltersystem ein Übergang von cis- zu trans-Form
bewirkt, wodurch eine Strukturänderung in dem beteiligten Protein ausgelöst und
das Signal übertragen wird.“
Im
FMP ist es gelungen, das erste wasserlösliche, lichtschaltbare Peptidmodell
einer Haarnadel-β-Faltblattstruktur zu entwickeln,
deren biologische Funktion mit Licht gesteuert werden kann. Diese sind in einer
Vielzahl biologisch wichtiger Proteinwechselwirkungen involviert.
Hoppmann,
Christian el al.: Lichtgesteuerte
Proteinbindung einer biologisch relevanten β-Faltblattstruktur. In: Angewandte Chemie 2009-121/36, DOI 10.1002/ange.200901933
Aminosäuresequenz (Primärstruktur) mit den Aminosäureresten
Abb.Acc. Chem. Res. 1997, 30, 153-161
Beim Schalter in gestreckter trans-Form passt das Peptid nicht in die Bindungstasche des Proteins, bei gefalteter cis-Form nimmt das Peptid die Form des Haarnadel-ß-Faltblatts an und kann wechselwirken. Abb.: Hoppmann
Kontakt:
Dipl.Chemiker Christian
Hoppmann Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP), Abteilung Peptidchemie Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin, Tel. +49 30 947 93 240 E-mail: hoppmannfmp-berlin.de |