Pressemitteilung | IZW | 12-12-2018

Neue Testmethode verbessert Tuberkulose-Diagnose bei Nashörnern

Krankheiten wie Tuberkulose können für Wildtiere eine große Herausforderung darstellen. Um epidemisches Ausbreiten zu verhindern oder einzelne Individuen hochbedrohter Arten zu behandeln, sind schnelle und zuverlässige Tests wichtig. Bisherige Testverfahren für Tuberkulose bei Nashörnern gehen auf in den 1960er Jahren für Rinder entwickelte Hauttests zurück und bergen Risiken für Fehldiagnosen. WissenschaftlerInnen aus Berlin und Jena haben daher gemeinsam mit internationalen Partnern wiederholte Lungenspülungen als neuen Ansatz getestet. Nachfolgende genetische Tests erlaubten die zuverlässigere Identifizierung von Mykobakterien in der Atemwegsflüssigkeit der Tiere – bei geringem Stress und Risiko. Über diesen Fortschritt in der Wildtiermedizin berichten die WissenschaftlerInnen in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift PLOS ONE.

Reproduktionsmediziner Robert Hermes führt eine Lungenwäsche bei einem Nashorn durch. | Photo: Jonathan Crackne

Ansatzpunkt für die Entwicklung der neuen Methode war die Tatsache, dass herkömmliche immunologische Tests auf Tuberkulose-Erreger bei Nashörnern mit großen Unsicherheiten behaftet sind und Fehldiagnosen produzieren können. Lediglich an verstorbenen Tieren durchgeführte Untersuchungen ermöglichen bislang eine zuverlässige Diagnose. Die ForscherInnen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) haben nun eine Methode entwickelt und getestet, bei der die zwei Tonnen schweren Tiere nur für kurze Zeit anästhesiert werden müssen. Dabei wird Atemwegsflüssigkeit von unter Infektionsverdacht stehenden Nashörnern gewonnen, indem mit einem Endoskop Teile der Lunge, des Luftsacks und der Speiseröhre gespült werden. Die gewonnene Flüssigkeit wird einerseits genetisch analysiert, um Erbmaterial von Mykobakterien – und insbesondere Tuberkulose-Erregern – zu detektieren. Ein weiterer Teil wird verwendet, um darin vorhandene Mykobakterien anzuzüchten und vermehrungsfähige Erreger nachzuweisen.

„Man unterscheidet verschieden gefährliche Mykobakterien“, erklärt Robert Hermes vom Leibniz-IZW. „Neben wenigen Mykobakterienarten, die zum sogenannten Mycobacterium tuberculose-Komplex gehören und eine Tuberkulose auslösen können, gibt es auch viele harmlose Mykobakterien, die keine Tuberkuloseerkrankung auslösen. Letztere sind in der Umwelt weit verbreitet.“ Nashörner als weidende Tiere nehmen mit Nase und Maul sehr viele solcher harmlosen Bodenbakterien auf, weshalb Tests auf Tuberkulose sehr zuverlässig Tuberkulose-auslösende und harmlose Mykobakterien auseinanderhalten müssen. Daran scheitern viele beim Nashorn angewandte, herkömmliche immunologische Haut- und Bluttests häufig, da sie auch Immunreaktionen anzeigen, die sich nach Euthanasie verdächtiger Tiere nur als mutmaßliche Immunreaktion auf harmlose Mykobakterien herausstellen.

Die Testreihe an sieben Nashörnern aus Europäischen Zoos mit insgesamt 21 Probenentnahmen und Laboranalysen belegte die Überlegenheit der endoskopischen Methode. Die WissenschaftlerInnen konnten ausschließlich DNS der harmlosen Gruppe von Mykobakterien nachweisen. Die Gefahr fälschlicher Diagnosen von Tuberkulose (positive Fehldiagnose) könnte auf diese Weise in Zukunft verringert werden. „Eine Infektion mit dem Tuberkulose-Erreger kann jedoch durch nur eine einzelne Untersuchung nicht zuverlässig ausgeschlossen werden“, so Stefanie Barth vom Nationalen Referenzlabor für Tuberkulose der Rinder am FLI in Jena. Die Wissenschaftler setzen daher in Verdachtsfällen auf wiederholte Tests, in denen die Lunge gespült wird. Eine Garantie, dass Tuberkulose-Erreger immer korrekt erkannt werden, liefere diese Methode noch nicht, aber sie sei einer zuverlässigen Diagnose deutlich näher als bisherige Testverfahren, beispielsweise die Hauttests, an lebenden Nashörnern.

Tuberkulose-Infektionen bei Wildtieren stellen auch für den Menschen sowie für Nutztiere ein Problem dar. In Regionen, in denen Wild- und Nutztiere in Kontakt kommen, ist gegenseitige Ansteckung eine reale Gefahr. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Tuberkulose im südlichen Afrika von Rindern auf Büffel übergegangen ist. Die Büffel wiederum geben die Erreger an Raubtiere weiter, deren Beute sie werden. Daher wurde bis heute eine große Zahl an Wildtierspezies – auch vom Aussterben bedrohte Arten – positiv auf Tuberkulose getestet, darunter Löwen, Kudus, Geparden, Hyänen, Leoparden und Nashörner. Tuberkulose ist eine von Tier auf den Menschen übertragbare Krankheit, weshalb die Wildtiermedizin in diesem Fall nicht ausschließlich dem Wohle der Tiere dient.

Differential detection of tuberculous and non-tuberculous mycobacteria by qPCR in lavage fluids of tuberculosis-suspicious white rhinoceros.
Hermes R, Saragusty J, Moser I, Barth SA, Holtze S, et al. (2018) PLOS ONE 13(11): e0207365.
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0207365

Prof. Dr. Robert Hermes, DiplECZM
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Reproduktionsmanagement
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung im Forschungsverbund Berlin e.V.
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Jan Zwilling
Wissenschaftskommunikation
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