Fledermäuse spielen eine wichtige Rolle für viele
Ökosysteme. Sie stehend aber auch zunehmend im Verdacht, Krankheiten zu
übertragen.
Obwohl man sie fast nie zu sehen bekommt, spielen Fledermäuse
für Ökosysteme und damit auch für den Menschen eine wichtige Rolle.
Während ihrer nächtlichen Ausflüge vertilgen sie Unmengen von Insekten,
bestäuben Pflanzen und verbreiten Samen indem sie Früchte fressen. Rund
1200 Arten gibt es weltweit, jede fünfte Säugetierart ist eine
Fledermaus!
Seit kurzem weiß man aber, dass von Fledermäusen auch eine Bedrohung
ausgehen kann: Sie stehen im Verdacht, verschiedene Virus-Erkrankungen
zu verbreiten. Was man bislang hauptsächlich den Nagetieren zuschrieb,
nämlich sogenannte Zoonosen zu übertragen, das sind Krankheiten die
Mensch und Tier gleichermaßen befallen, könnte auch auf Fledermäuse
zutreffen. Die Problematik der Tollwutübertragung ist bereits seit
längerem für Blut saugende Vampirfledermäuse in Lateinamerika bekannt.
Auch einige europäische, insektenfressende Fledermäuse stehen im
Verdacht, Tollwut übertragen zu können. Allerdings ist die
Wahrscheinlichkeit auf eine tollwütige Fledermaus in Deutschland zu
treffen äußerst gering. Und durch Impfung und entsprechende
Verhaltensregeln kann man sich vor einer Ansteckung schützen. Für die
Tropen, speziell Afrika und Asien, konnten Forscher allerdings einige
für den Menschen gefährliche Viren nachweisen, darunter Henipaviren, die
für asiatische Flughunde bekannt sind.
Fledermausforscher und Infektionsbiologen beschäftigt zunehmend die
Frage, warum die Flattertiere so anfällig für Krankheiten sind. Das
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin lud nun
erstmals Experten aus aller Welt zu einem offenen Diskurs über dieses
Thema ein. Die Experten berichten darüber in dem renommierten
Fachjournal Biology Letters. Dr. Christian Voigt, einer der
Organisatoren der Tagung, kennt mehrere Faktoren, die Fledermäuse als
Reservoir für Infektionskrankheiten ideal erscheinen lassen:
„Fledermäuse sind trotz ihrer Kleinheit extrem langlebig, einheimische
Arten können 20 bis 30 Jahre alt werden“, so der Biologe. Mit ihrer
Lebensdauer können sie so Krankheitserreger über einen relativ langen
Zeitraum anhäufen. Außerdem sind Fledermäuse sehr sozial: Manche Arten
füttern sich gegenseitig, andere hängen in millionenstarken Kolonien
dicht an dicht in Höhlen. „Das erhöht natürlich die Übertragungsrate von
Erregern“, so Voigt. In den Tropen fressen Fledermäuse Früchte, die mit
Kot von Artgenossen verdreckt sein können, von ihnen angeknabberte
Früchte werden auch von Menschen verzehrt. Mitunter landet in manchen
tropischen Ländern sogar die Fledermaus im Kochtopf, was der Übertragung
von Krankheiten Tür und Tor öffnet. Was kaum jemand weiß: Manche
Fledermausarten sind sehr mobil, sie flattern nicht nur in einem eng
begrenzten Radius herum sondern können ähnlich wie Zugvögel hunderte
oder gar tausende von Kilometern zurücklegen und damit Krankheitserreger
potenziell über große Distanzen verteilen. Und schließlich sind
Fledermäuse Säugetiere, und damit ist ihr Immunsystem dem des Menschen
ähnlicher als das von Vögeln, so dass fledermausspezifische
Krankheitserreger leichter auf den Menschen wechseln können.
Aber auch die Fledermäuse selbst sind stark durch Infektionskrankheiten
bedroht. In Nordamerika rafft eine Pilzerkrankung seit einigen Jahren
Millionen von Tieren dahin. Das sogenannte White-Nose-Syndrom, bei dem
sich ein weißer Pilzbelag auf der Nase der Tiere bildet, befällt ganze
Populationen während ihres Winterschlafes in Höhlen, wenn die
Abwehrkräfte der Tiere am schwächsten sind. Warum der Pilz ausgerechnet
jetzt zuschlägt, wissen die Forscher noch nicht, lediglich dass er Kälte
liebend ist und Temperaturen um 15 Grad bevorzugt. Die Forscher
beschäftigt nun die Frage, ob europäischen Fledermäusen ein ähnliches
Massensterben droht. Bislang sieht es nicht so aus, obwohl der Pilz
vereinzelt auch in Europa nachgewiesen wurde. „Die betroffenen Tiere
starben aber nicht und der Pilz hat sich auch nicht epidemieartig weiter
verbreitet“, fasst Voigt die Beobachtungen zusammen. Die
Wissenschaftler mutmaßen, dass der Pilz vielleicht sogar aus Europa
stammt und europäische Flattertiere über Jahrtausende Abwehrmechanismen
entwickeln konnten. Übertragen über Sporen, die an Menschen hafteten,
könnte er die Amerikanischen Fledermäuse völlig unvorbereitet getroffen
haben. Für Nordamerika ist dies ein ökologisches Desaster.
Gerade weil die Fledermäuse für die menschliche Gesundheit ein Problem
darstellen können, hat die Erforschung ihrer Lebensweise höchste
Priorität. Aber auch der Schutz von Fledermäusen ist extrem wichtig.
Würden sie ihre Aufgabe als Insektenvertilger nicht mehr wahrnehmen
können, postulieren Forscher einen explosionsartigen Anstieg von
landwirtschaftlichen Schädlingen oder aber Krankheit übertragender
Moskitos, mit ungeahnten indirekten Folgen für den Menschen. Wo
tropische Fledermäuse wichtige Bestäuber von landwirtschaftlich
relevanten Pflanzen bzw. Bäumen sind, wären viele Pflanzenarten und
damit ganze Ökosysteme bedroht. Es kann deshalb nicht darum gehen,
Fledermäuse zu vernichten oder aus unserer Umwelt zu verbannen, sondern
Wege des Zusammenlebens zu finden. „Denn obwohl Fledermäuse potenziell
Krankheiten verbreiten, hätten wir weitaus größere Probleme, wenn
Fledermäuse aus unserer Umwelt verschwinden würden“, ist Voigt
überzeugt.
Doi: 10.1098/rsbl.2010.0267
Kontakt:
PD Dr. Christian Voigt, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Tel.: 030 5168 517, voigtizw-berlin.de |