Pressemitteilung | IZW | 04-05-2010

Sind Fledermäuse ein Gesundheitsrisiko?

Fledermäuse spielen eine wichtige Rolle für viele Ökosysteme. Sie stehend aber auch zunehmend im Verdacht, Krankheiten zu übertragen. Infektionsbiologen und Zoologen wollen diesem Phänomen auf die Spur kommen.

Sind Fledermäuse ein Gesundheitsrisiko?

Fledermaus mit White-Nose-Syndrom|Foto: Marianne Moore

Fledermäuse spielen eine wichtige Rolle für viele

Ökosysteme. Sie stehend aber auch zunehmend im Verdacht, Krankheiten zu

übertragen.

Obwohl man sie fast nie zu sehen bekommt, spielen Fledermäuse

für Ökosysteme und damit auch für den Menschen eine wichtige Rolle.

Während ihrer nächtlichen Ausflüge vertilgen sie Unmengen von Insekten,

bestäuben Pflanzen und verbreiten Samen indem sie Früchte fressen. Rund

1200 Arten gibt es weltweit, jede fünfte Säugetierart ist eine

Fledermaus!

Seit kurzem weiß man aber, dass von Fledermäusen auch eine Bedrohung

ausgehen kann: Sie stehen im Verdacht, verschiedene Virus-Erkrankungen

zu verbreiten. Was man bislang hauptsächlich den Nagetieren zuschrieb,

nämlich sogenannte Zoonosen zu übertragen, das sind Krankheiten die

Mensch und Tier gleichermaßen befallen, könnte auch auf Fledermäuse

zutreffen. Die Problematik der Tollwutübertragung ist bereits seit

längerem für Blut saugende Vampirfledermäuse in Lateinamerika bekannt.

Auch einige europäische, insektenfressende Fledermäuse stehen im

Verdacht, Tollwut übertragen zu können. Allerdings ist die

Wahrscheinlichkeit auf eine tollwütige Fledermaus in Deutschland zu

treffen äußerst gering. Und durch Impfung und entsprechende

Verhaltensregeln kann man sich vor einer Ansteckung schützen. Für die

Tropen, speziell Afrika und Asien, konnten Forscher allerdings einige

für den Menschen gefährliche Viren nachweisen, darunter Henipaviren, die

für asiatische Flughunde bekannt sind.

Fledermausforscher und Infektionsbiologen beschäftigt zunehmend die

Frage, warum die Flattertiere so anfällig für Krankheiten sind. Das

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin lud nun

erstmals Experten aus aller Welt zu einem offenen Diskurs über dieses

Thema ein. Die Experten berichten darüber in dem renommierten

Fachjournal Biology Letters. Dr. Christian Voigt, einer der

Organisatoren der Tagung, kennt mehrere Faktoren, die Fledermäuse als

Reservoir für Infektionskrankheiten ideal erscheinen lassen:

„Fledermäuse sind trotz ihrer Kleinheit extrem langlebig, einheimische

Arten können 20 bis 30 Jahre alt werden“, so der Biologe. Mit ihrer

Lebensdauer können sie so Krankheitserreger über einen relativ langen

Zeitraum anhäufen. Außerdem sind Fledermäuse sehr sozial: Manche Arten

füttern sich gegenseitig, andere hängen in millionenstarken Kolonien

dicht an dicht in Höhlen. „Das erhöht natürlich die Übertragungsrate von

Erregern“, so Voigt. In den Tropen fressen Fledermäuse Früchte, die mit

Kot von Artgenossen verdreckt sein können, von ihnen angeknabberte

Früchte werden auch von Menschen verzehrt. Mitunter landet in manchen

tropischen Ländern sogar die Fledermaus im Kochtopf, was der Übertragung

von Krankheiten Tür und Tor öffnet. Was kaum jemand weiß: Manche

Fledermausarten sind sehr mobil, sie flattern nicht nur in einem eng

begrenzten Radius herum sondern können ähnlich wie Zugvögel hunderte

oder gar tausende von Kilometern zurücklegen und damit Krankheitserreger

potenziell über große Distanzen verteilen. Und schließlich sind

Fledermäuse Säugetiere, und damit ist ihr Immunsystem dem des Menschen

ähnlicher als das von Vögeln, so dass fledermausspezifische

Krankheitserreger leichter auf den Menschen wechseln können.

Aber auch die Fledermäuse selbst sind stark durch Infektionskrankheiten

bedroht. In Nordamerika rafft eine Pilzerkrankung seit einigen Jahren

Millionen von Tieren dahin. Das sogenannte White-Nose-Syndrom, bei dem

sich ein weißer Pilzbelag auf der Nase der Tiere bildet, befällt ganze

Populationen während ihres Winterschlafes in Höhlen, wenn die

Abwehrkräfte der Tiere am schwächsten sind. Warum der Pilz ausgerechnet

jetzt zuschlägt, wissen die Forscher noch nicht, lediglich dass er Kälte

liebend ist und Temperaturen um 15 Grad bevorzugt. Die Forscher

beschäftigt nun die Frage, ob europäischen Fledermäusen ein ähnliches

Massensterben droht. Bislang sieht es nicht so aus, obwohl der Pilz

vereinzelt auch in Europa nachgewiesen wurde. „Die betroffenen Tiere

starben aber nicht und der Pilz hat sich auch nicht epidemieartig weiter

verbreitet“, fasst Voigt die Beobachtungen zusammen. Die

Wissenschaftler mutmaßen, dass der Pilz vielleicht sogar aus Europa

stammt und europäische Flattertiere über Jahrtausende Abwehrmechanismen

entwickeln konnten. Übertragen über Sporen, die an Menschen hafteten,

könnte er die Amerikanischen Fledermäuse völlig unvorbereitet getroffen

haben. Für Nordamerika ist dies ein ökologisches Desaster.

Gerade weil die Fledermäuse für die menschliche Gesundheit ein Problem

darstellen können, hat die Erforschung ihrer Lebensweise höchste

Priorität. Aber auch der Schutz von Fledermäusen ist extrem wichtig.

Würden sie ihre Aufgabe als Insektenvertilger nicht mehr wahrnehmen

können, postulieren Forscher einen explosionsartigen Anstieg von

landwirtschaftlichen Schädlingen oder aber Krankheit übertragender

Moskitos, mit ungeahnten indirekten Folgen für den Menschen. Wo

tropische Fledermäuse wichtige Bestäuber von landwirtschaftlich

relevanten Pflanzen bzw. Bäumen sind, wären viele Pflanzenarten und

damit ganze Ökosysteme bedroht. Es kann deshalb nicht darum gehen,

Fledermäuse zu vernichten oder aus unserer Umwelt zu verbannen, sondern

Wege des Zusammenlebens zu finden. „Denn obwohl Fledermäuse potenziell

Krankheiten verbreiten, hätten wir weitaus größere Probleme, wenn

Fledermäuse aus unserer Umwelt verschwinden würden“, ist Voigt

überzeugt.

Doi: 10.1098/rsbl.2010.0267

Kontakt:

PD Dr. Christian Voigt, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Tel.: 030 5168 517, voigtizw-berlin.de