Pressemitteilung | MBI | 16-04-2013

Synchrone Bewegung von Elektronen in benachbarten Molekülen - ein ultraschneller Röntgenfilm über Metallkomplexe in einem Kristall

Mittels Femtosekunden-Röntgenbeugung wurde erstmals eine extrem schnelle, kollektive Verschiebung von Elektronen zwischen ~100 Molekülionen beobachtet.

Synchrone Bewegung von Elektronen in benachbarten Molekülen - ein ultraschneller Röntgenfilm über Metallkomplexe in einem Kristall

Cartoon der kollektiven Ladungsverschiebung in [Fe(bpy)3]2+(PF6-)2, welche ungefähr 30 Metallkomplexe (und jeweils 2 Gegenionen) um den direkt lichtangeregten Komplex involviert. Blau: Reduktion der Elektronendichte, rot: erhöhte Elektronendichte.|Abb:MBI

 

Mittels Femtosekunden-Röntgenbeugung konnten Forscher des Max-Born-Instituts in Berlin und der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne (Schweiz) erstmals eine extrem schnelle, kollektive Verschiebung von Elektronen zwischen ~100 Molekülionen beobachten, nachdem sie ein einzelnes Elektron in einem Kristall aus Übergangsmetallkomplexen angeregt haben.

In der Photochemie und molekularen Photovoltaik sind sogenannte Übergangsmetallkomplexe ein weitverbreitetes System. Es besteht aus einem zentralen Metallion, an das eine Gruppe von meist organischen Liganden gebunden ist. Diese Materialien zeigen eine starke Absorption von sichtbarem oder ultraviolettem Licht - eine attraktive Eigenschaft für Anwendungen als primäre Lichtabsorber in molekularen Solarzellen oder in der molekularen Optoelektronik. Nach der Absorption von Licht beobachtet man eine extrem schnelle Verlagerung der Elektronen von dem Metallion auf die Liganden. Dieser Mechanismus ist wesentlich um eine elektrische Spannung zu erzeugen. Da in allen Anwendungen Festkörpermaterialien bevorzugt werden, sind in diesen die Übergangsmetallkomplexe sehr dicht gepackt, was zu einer starken Wechselwirkung untereinander führt. Bislang hatte man überhaupt keine Information über den Einfluss dieser gegenseitigen Wechselwirkung auf die ultraschnelle Elektronenbewegung nach der Lichtabsorption.

Um solch eine ultraschnelle Elektronenbewegung direkt in Raum und Zeit zu verfolgen, benötigt man experimentelle Methoden, die die Position von Elektronen in einem Kristall mit einer Präzision von 0.1 nm (0.1 nm =10-10 m), etwa der Abstand zwischen benachbarten Atomen, auf einer sub-100 fs Zeitskala (1 fs = 10-15s) bestimmen können. Eine solche Abbildung ist möglich, wenn man ultrakurze Röngtenblitze an den Elektronen streut, da das Beugungsmuster die Information über die räumliche Anordnung der Elektronen zu Verfügung stellt. Die Bewegung der Elektronen wird mittels eines kurzen, optischen Lichtimpulses ausgelöst, welcher ein einzelnes Elektron an einem individuellen Metallkomplex anregt. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Chemical Physics 138, 144504 (2013) (free download), berichten Benjamin Freyer, Flavio Zamponi, Vincent Juve, Johannes Stingl, Michael Wörner, Thomas Elsässer und Majed Chergui über die erste in-situ Röntgenabbildung der Elektron- und Atom-Bewegungen, die durch solch eine Elektronentransfer-Reaktion ausgelöst wurden. Sie zeigen für das Prototypmaterial [Fe(bpy)3]2+(PF6-)2 zeitabhängige "Elektronendichte-Landkarten", welche aus einzelnen Schnappschüssen mittels 100 fs kurzer Röntgenblitze gewonnen wurden. Eine Serie von Schnappschüssen für verschiedene Momente, d.h. vor, während und nach der Elektronentransfer-Reaktion, läßt sich zu einem ultraschnellen Röntgenfilm über Elektron- und Atom-Bewegungen zusammenfügen.

Zur großen Überraschung der Wissenschaftler zeigten die zeitabhängigen "Elektronendichte-Landkarten" nicht nur eine Verschiebung von Elektronen von den Eisenatomen zu den Bipyridin-Liganden, sondern auch - eine bislang unerwartete - Verlagerung von Elektronen von den PF6-Anionen zu den Bipyridin-Liganden. Eine genaue Analyse der Röntgenschnappschüsse zeigt, dass der Elektronentransfer auf etwa 30 Metallkomplexen (mit jeweils 2 PF6-Anionen) um den direkt lichtangeregten Komplex herum stattfindet. Diese kollektive Antwort der Elektronen wird von den starken Coulomb-Kräften zwischen den unterschiedlichen Ionen hervorgerufen, welche eine Minimierung der gesamten elektrostatischen Energie des Kristalls anstreben. Solch ein Verhalten ist höchst willkommen für das Einsammeln von elektrischer Ladung in opto-elektronischen Bauelementen.

FeBpy1FeBpy2

Bilder und Röntgenfilm: Oben: Kugel- und Stäbchenmodell des Übergangsmetallkomplexes Eisen(II)-tris-Bipyridin [Fe(bpy)3]2+.

Eisenatome (Fe) sind braune, Stickstoff (N) blaue, Kohlenstoff (C)

graue und Wasserstoff (H) weiße Kugeln. Die sechs Stickstoffatome

befinden sich an den Ecken eines um das Fe-Atom zentrierten Oktaeders.

Die Ebenen der 3 Bipyridin Untereinheiten (N2C10H8)

stehen jeweils senkrecht aufeinander. Links unten: Die Gegenionen in unserem Kristall sind jeweils zwei Hexa-fluoro-phosphat (PF6-)Ionen [Phosphor (P), Fluor (F)]. Die sechs F-Atome sind ebenfalls an den Ecken eines Oktaeders um das zentrale P-Atom angeordnet. Wir zeigen hier eine 3-dimensionale Oberfläche konstanter Elektronendichte ρ(r,t) = ρC = konst. Der Wert für ρC wurde so gewählt, dass man höchst

empfindlich die Bewegung der Elektronen auf dem PF6-Anion verfolgen kann. In dem beigefügten Röntgenfilm beobachtet man einen deutlichen Abfluss (d.h. Schrumpfen der Isoelektronendichte-Oberfläche) von Elektronen vom PF6-Anion nach der Lichtanregung. Rechts unten: Die 3-dimensionale Oberfläche konstanter Elektronendichte innerhalb der Einheitszelle des Kristalls zeigt die

relative räumliche Anordnung der Eisenatome (Kugeln), Bipyridin-Liganden

(Bretzelartige Objekte) and PF6- Anionen (Oktaeder-förmige Sterne).

paper1übersicht

 

 

 

 

 


Kontakt:

Michael Wörner, Tel: +49-30-6392 1470, email: woernermbi-berlin.de
Thomas Elsässer, Tel.: +49-30-6392 1400, email: elsassermbi-berlin.de