Dr. Lysanne Snijders, Sie sind Verhaltensökologin am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Warum befassen Sie sich mit Nahrung suchenden Guppys im Regenwald?
Lysanne Snijders: Nahrung zu finden, ist eine der zentralen täglichen Aktivitäten von Tieren, aber nicht immer eine einfache. In Trinidad leben Guppys in Regenwaldflüssen, die sich über die Jahreszeiten, und manchmal auch binnen weniger Stunden, rapide wandeln. Die Tiere suchen dort nach etwas Fressbarem. Das sind etwa kleine Früchte oder Insekten, die irgendwo und zu unvorhersehbaren Zeitpunkten in das Wasser fallen. Wir haben wiederholt dieselben Guppy-Individuen in verschiedenen natürlichen Wasserbecken beobachtet und entdeckt, dass es einigen Guppys dauerhaft besser gelang Nahrung zu finden als anderen. Das war insofern überraschend, als diese Guppys nicht ihr Gedächtnis hatten nutzen können, um vom Futterfundort in dem einen auf einen möglichen Fundort im nächsten Wasserbecken schließen zu können. Es musste also andere individuelle Eigenschaften oder Abläufe geben, die einigen Fischen dabei halfen, erfolgreicher zu sein als andere.
Wie ist es Ihnen gelungen, diese winzigen Fische bei der Nahrungssuche zu beobachten?
Viele Tiere finden Nahrung, indem sie ihre Artgenossen bei deren Aktivitäten beobachten. Deswegen wollten wir herausfinden, ob unterschiedliches individuelles Sozialverhalten bei den Guppys eine Rolle gespielt haben könnte. Wir markierten die Tiere mit unterschiedlichen Farben, sodass wir Individuen folgen konnten, um zu sehen, wer wessen Gesellschaft suchte. Auf Basis dieser Beobachtungen berechneten wir, wie sozial sich jedes Tier verhielt und ob dies erklärte, wie viele Futterteile sie fanden. Solche Futterteile präsentierten wir in zufälligen Zeitabständen und an unterschiedlichen Orten innerhalb eines Wasserbeckens. Dafür nutzen wir eine Angelschnur, die an einem Stock befestigt war. Das war eine Art umgekehrtes Fischen: Unser Ziel bestand darin, den Fischen Futter zu geben, nicht die Fische selbst zu Futter zu machen.