Interview | MBI | 25-01-2023

Wichtig ist, sich zu fokussieren

Interview mit Prof. Dr. Thomas Elsässer vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) zu seiner Emeritierung

Prof. Dr. Thomas Elsässer | Foto: Tina Merkau / WISTA Management GmbH

Prof. Thomas Elsässer studierte Physik – zuerst an der Universität Heidelberg, dann an der Technischen Universität München, wo er 1986 über ein Thema aus der Ultrakurzzeitspektroskopie promovierte und sich 1991 habilitierte. Im Jahr 1993 ging er als Direktor ans Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) und erhielt 1994 eine Professur für Experimentalphysik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Über 29 Jahre führte er das MBI gemeinsam mit zwei weiteren Direktoren. Im September 2022 wurde er emeritiert.

Herr Elsässer, neben der Exzellenz in der Forschung – Sie selber haben zwei ERC Grants eingeworben – lag Ihnen immer auch die Nachwuchsförderung am Herzen. Lassen Sie uns zuerst über dieses Thema sprechen.

Ja, die Nachwuchsförderung ist eine ganz zentrale Aufgabe – sowohl als Institutsdirektor als auch als Universitätsprofessor. Im MINT-Bereich müssen wir früh damit anfangen. Ich mache zum Beispiel bei einem Programm der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) mit, bei dem wir in Brandenburger Gymnasien und Oberschulen einzelne Schulstunden halten oder Diskussionen führen. Da kommt man mit den jungen Menschen gut ins Gespräch; sie kommen auch ab und an für Exkursionen ins Institut und schauen sich die Labore an.

Wichtig ist selbstverständlich der akademische Nachwuchs. Ich habe in den letzten 30 Jahren etwas mehr als 60 Doktorandinnen und Doktoranden betreut. Es ist schön zu sehen, was aus den Leuten geworden ist – manche sind heute selber Professor, andere sind in der Industrie sehr erfolgreich. Am Ende geht’s nicht so sehr darum, dass sie ein spezielles Kunststück in ihrer Doktorarbeit vollbringen, sondern eine Arbeitsweise erlernt haben und damit wissen, wie man ein Problem strukturiert und löst.

Was möchten Sie den jungen Forscher*innen im FVB mit auf den Weg geben?

Wichtig ist, sich zu fokussieren. In einer Gesellschaft, die sehr stark an Reizüberflutung durch alle möglichen Medien leidet, ist das nicht trivial. Und es geht darum, Techniken zu entwickeln, wie man mit Schwierigkeiten umgeht. Gute Experimente funktionieren nie beim ersten Mal – und die Kunst ist es herauszufinden, warum etwas nicht so klappt wie geplant. Social Skills sind ebenfalls sehr wichtig – aber man muss vor allem eine Arbeitsmethodik für sich selbst entwickeln, mit der man zu Ergebnissen kommt. Und ich würde raten, sich nicht zu sehr beirren zu lassen – das muss ein Betreuer auch mit beachten. Die Leute brauchen Zeit, um Dinge zu entwickeln und aus ihrer Sicht so zu strukturieren, dass sie damit klarkommen. Manchmal landet man auch bei einem ganz anderen Ergebnis, als man ursprünglich wollte. Ein Kollege von mir nennt das „moving target“. Man stellt eine Frage, aber ob man am Ende die Antwort für diese Frage hat oder für eine ganz andere, ist bei guter Grundlagenforschung zunächst einmal offen. Viele Dinge, die wirklich spektakulär sind, sind so gefunden worden.

Eine weitere wichtige Komponente ist die Kommunikation. Es ist wichtig, dass die jungen Menschen miteinander über das reden, was sie machen. Das muss an den Universitäten anfangen – aber dort wird es nicht in ausreichendem Maße trainiert, weil die Studiengänge zu verschult sind und oft auch die Zeit fehlt. Deshalb ist Eigeninitiative nötig und die Bereitschaft, über Dinge zu reden, die noch nicht ausgegoren oder verstanden sind.

Im FVB ist man ja Institutsdirektor*in und zugleich Vorstandsmitglied – es gilt also, die Interessen des Institutes zu vertreten und im Sinne des Verbundes zu agieren. Wie schwer ist Ihnen diese Doppelrolle gefallen?

Generell würde ich sagen, dass es zwischen den Interessen des Einzelinstituts und den FVB-Interessen letztlich keinen Gegensatz gibt. Der FVB ist die Trägerorganisation und der Vorstand ist nach meinem Verständnis auch deshalb so strukturiert, weil alle gemeinsam gestalten müssen. Natürlich gibt es Themen, bei denen Partikularinteressen eine Rolle spielen, wie bei der Umlagefinanzierung der Gemeinsamen Verwaltung, aber am Ende findet man immer einen Kompromiss. Insofern bin ich der Meinung, dass der Forschungsverbund bis heute ein gutes Modell ist, weil er Geld spart, den Einzelinstituten nach außen eine Sichtbarkeit gibt und ein Gewicht in der politischen Diskussion, die sie alleine nicht hätten. Der Forschungsverbund hat im Rückblick eine Reihe von administrativen Pionierleistungen erbracht, die heute oft vergessen werden.

So hat der FVB in den 90er Jahren als eine der ersten Forschungseinrichtungen in Deutschland SAP-Software in der Buchhaltung implementiert und Kostenrechnung möglich gemacht. Damit hat der FVB dann eine Vorreiterrolle bei der wissenschaftsgerechten Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung gespielt, ein damals extrem kontroverses Thema in der Wissenschaft.

Es ist wichtig, dass die Institute wissenschaftlich autark sind. Wir reden uns nicht gegenseitig in die wissenschaftlichen Themen. Punktuell gibt es Synergien in der Forschung, aber grundsätzlich geht es im FVB um Verwaltung und Außenvertretung. Und dies kann nur funktionieren, wenn alle Institute sich hierfür engagieren.

Welchen Rat möchten Sie dem FVB zu Ihrem Abschied geben?

Es ist wichtig, dass der FVB in Berlin als große Forschungseinrichtung eine angemessene Sichtbarkeit erreicht. Er tritt gegenüber den Zuwendungsgebern auf – und hat damit die Möglichkeit, auf Probleme hinzuweisen, die die Forschung beeinträchtigen. Man sollte ein offeneres Wort über Probleme wagen – und immer klar kommunizieren, welche Konsequenzen neue administrative Regeln haben. Man ist nur erfolgreich und nimmt Einfluss, wenn man proaktiv ist. Es war in der Vergangenheit immer so, dass der Verbund ein größeres Gewicht hatte als ein einzelnes Institut. Ansonsten ist es sehr wichtig, gutes Personal zu gewinnen. In der Forschung ist dies im Moment ein riesiges Problem, wir konkurrieren global um wissenschaftliches Personal. Da sollte sich der Verbund überlegen, wie er helfen kann, um unsere Sichtbarkeit zu erhöhen. Und empfehlenswert wäre aus meiner Sicht, ein Summer Student Program zu etablieren, bei dem Schülerinnen und Schüler für vier bis sechs Wochen an unsere Institute kommen und schnuppern können. Meine Erfahrung aus den USA ist, dass dies eine hervorragende Möglichkeit wäre, um junge Menschen bereits im Schulstadium anzulocken und in Kontakt zu bleiben. Dabei geht es nicht nur darum, Nachwuchs für die Wissenschaft zu gewinnen, sondern jungen Menschen ein Verständnis von Forschung zu vermitteln. Derzeitige Krisen wie die Corona-Pandemie und der Klimawandel zeigen, wie wichtig dies ist.

Das Interview führte Anja Wirsing.

Das Interview ist im Verbundjournal 119 | 2022 mit dem Schwerpunkt "30 Jahre FVB" erschienen.