Pressemitteilung | IZW | 09-08-2016

Wikinger setzten die weltweite Verbreitung der Gangpferde in Gang

Einige Pferde verfügen über spezielle Gangarten, die für den Reiter komfortabler sind als Schritt, Trab oder Galopp. Der Ursprung der Gangpferde liegt höchstwahrscheinlich im mittelalterlichen England des 9. Jahrhunderts, von wo aus sie durch die Wikinger nach Island kamen.

Wikinger setzten die weltweite Verbreitung der Gangpferde in Gang

Islandpony im Passschritt während einer Weltmeisterschaft. | Foto: Monika Reissmann

 

Einige Pferde verfügen über

spezielle Gangarten, die für den Reiter komfortabler sind als Schritt, Trab

oder Galopp. Wie nun ein internationales Forscherteam unter Leitung des

Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) herausgefunden

hat, liegt der Ursprung der Gangpferde höchstwahrscheinlich im

mittelalterlichen England des 9. Jahrhunderts, von wo aus sie durch die

Wikinger nach Island kamen und sich später in ganz Europa und Asien

verbreiteten. Die Studie wurde in der aktuellen Ausgabe des wissenschaftlichen

Fachmagazins „Current Biology“ veröffentlicht. 

Schritt, Trab oder Galopp beherrschen alle Pferde. Wer

aber auf langen Strecken komfortabler im Sattel sitzen und trotzdem zügig

vorankommen möchte, ist mit sogenannten Gangpferden gut bedient. Sie sind zu

speziellen Gangarten fähig, wie zum Beispiel die für Islandpferde typischen

Gangarten Pass oder Tölt, welche einen nahezu erschütterungsfreien Ritt

ermöglichen. Verantwortlich für die Befähigung zum Pass und Tölt ist eine

Mutation im DMRT3-Gen, wie unlängst eine Studie an über 4.000 Pferden

verschiedener Rassen zeigte. Um die Verbreitungsgeschichte der Gangpferde zu

ergründen, analysierten die Wissenschaftler deshalb diese Mutation im Erbgut

von 90 Pferden von der Kupferzeit (6.000 v. Chr.) bis zum Mittelalter (11.

Jh.).

Fündig wurden die Wissenschaftler in Proben zweier englischer Pferde aus der

Zeit um 850 n. Chr. und wesentlich häufiger in Islandpferden aus dem 9. bis 11.

Jh.. Wahrscheinlich traten Gangpferde zuerst im mittelalterlichen England auf

und wurde dann von den Wikingern nach Island verbracht. In Island gibt es

Pferde seit 870 n. Chr.. Im Gegensatz dazu wurde kein Pferd aus

Kontinentaleuropa (inklusive Skandinavien) oder Asien aus dem gleichen Zeitraum

mit der Mutation für die alternativen Gangarten gefunden.

Dass sich die englischen und isländischen Gangpferdepopulationen in so kurzer

Zeit unabhängig voneinander entwickelten, ist unwahrscheinlich. „Es ist

wesentlich plausibler, dass einige der ersten Pferde, welche nach Island kamen,

die Mutation für alternative Gangarten bereits besaßen. Die Wikinger erkannten

deren Wert und haben Gangpferde gezielt gezüchtet und damit den Grundstein für

deren weltweite Verbreitung gelegt“, erläutert Arne Ludwig, Genetiker am IZW.

Auch historische Sagen deuten darauf hin, dass isländische Pferde bereits sehr

früh spezielle Gangarten beherrschten. Auch wenn noch nicht vollständig geklärt

ist, woher die Islandpferde stammen, wurde bisher angenommen, dass sie zusammen

mit den Wikingern aus Skandinavien auf die Insel kamen. Da die Mutation bei

skandinavischen Pferden aus dem 9. Jh. aber bisher nicht gefunden wurde, müssen

auch Pferde aus anderen Regionen nach Island verbracht worden sein.

Es ist historisch belegt, dass die Wikinger wiederholt in Großbritannien

brandschatzten und im 9. Jh. das Gebiet des heutigen Yorkshire unterwarfen –

genau die Region, aus der die zwei historischen Gangpferde stammen. „Es liegt

also nahe, dass die Wikinger erstmals in England auf Gangpferde trafen und sie

von dort mit nach Island nahmen“, erklärt Saskia Wutke, Doktorandin am IZW und

Erstautorin der Studie. Die große Häufung dieser Genvariante in den frühen

isländischen Pferden spricht dafür, dass die isländischen Siedler bevorzugt

Gangpferde züchteten – offenbar erwies sich deren komfortable Gangart als

besonders geeignet für das Zurücklegen langer Strecken im unwegsamen Gelände.

Publikation:

Wutke S, Andersson L, Benecke N, Sandoval-Castellanos E, Gonzalez J, Hallsson

JH, Lembi L, Magnell O, Morales-Muniz A, Orlando L, Pálsdóttir AH, Reissmann M,

Muñioz-Rodríguez MB, Ruttkay M, Trinks A, Hofreiter M, Ludwig A (2016): The

Origin of Ambling Horses. CURR BIOL 26, 697-698. DOI:

10.1016/j.cub.2016.07.001. http://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(16)30752-7

Kontakt:

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund

Berlin e.V.

Alfred-Kowalke-Str. 17

10315 Berlin

Germany

Arne Ludwig

Tel.: +49-30-5168-312

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(Presse)

Tel.: +49 30 5168-125

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