Artikel | IZW | 12-07-2022

Wissenschaft wirksam machen

Erkenntnisse aus der Forschung müssen den Weg in die Anwendung finden – davon ist Dr. Miriam Brandt überzeugt.

Dr. Miriam Brandt | Foto: Konstantin Rekk

Die Co-Direktorin und Leiterin des Bereichs Wissenschaftsmanagement am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) erprobt deshalb neue Ideen zur Wissensvermittlung in die Öffentlichkeit. Ihr Ziel: mehr Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Artenschwund direkt vor der Haustür beginnt und dass dringend gehandelt werden muss. Ihr Weg an die Spitze des Instituts zeigt dabei, wie wichtig es ist, interdisziplinär zu denken – und sich nicht von Vorurteilen leiten zu lassen.

Sklavenhaltende Ameisen sind faszinierend. So sieht das Miriam Brandt, die ihre Promotion über diese Spezies verfasste, immer noch. Dass das Thema in ihrem Berufsleben keine Rolle mehr spielt, hat auch mit einer Familienfeier zu tun: Ein Onkel fragte, an was sie arbeite. „Als ich ihm erzählte, dass ich sklavenhaltende Ameisen erforsche, schaute er mich vollkommen verständnislos an und fragte: ‚Und warum?‘“, erinnert sich die Biologin. Zu der Zeit schrieb sie an ihrer Doktorarbeit und war selbst am Überlegen, wie es weitergehen sollte: In der Forschung bleiben oder nicht? Wie kann ich mit meiner Arbeit Wirkung erzielen? Mit einem Thema, für das sich laut Miriam Brandt „weltweit vielleicht 20 Menschen interessieren“, gelingt das eher begrenzt, wie die Reaktion ihres Onkels zeigte.

Nach zwei Jahren als Postdoc in Kalifornien, USA, bewarb sie sich beim Projektträger Jülich, wo sie Förderprogramme des Europäischen Forschungsnetzwerks (ERA-Nets) für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) betreute. Nach einem Jahr nutzte sie die Gelegenheit, in Berlin das BMBF-Referat Ernährung und erneuerbare Rohstoffe, dem sie von Jülich aus zuarbeitete, besser kennenzulernen. Bald bot man ihr im Ministerium eine Stelle als Biologin im Referat Ethik und Recht an. „Das konnte ich mir zunächst nicht vorstellen, weil ich die einzige Nicht-Juristin in der Abteilung sein sollte, aber der Abteilungsleiter überzeugte mich, es wenigstens auszuprobieren“, erinnert sie sich. Der Job entpuppte sich als hochspannend, fordernd und lehrreich: „Das Beste daran war, mit Juristen zusammenzuarbeiten“, sagt die Wissenschaftsmanagerin mit einem schelmischen Lächeln. Sie habe dabei interdisziplinäre Zusammenarbeit schätzen gelernt, etwa für die Tierversuchsgesetzgebung: Sie selbst brachte die fachliche Perspektive ein, lernte aber auch die rechtliche Sichtweise kennen. „Da wurden die vielbeschworenen Synergien tatsächlich greifbar. Das war eine tolle Erfahrung, die mich sehr geprägt hat“, sagt Miriam Brandt.

Knapp drei Jahre später wechselte sie an das Leibniz-IZW und wurde Assistentin des Direktors Prof. Heribert Hofer. Das war 2010, die Stelle war neu geschaffen worden, und Miriam Brandt hatte „viel Gestaltungsspielraum und viele Freiheiten“. Die nutzte sie neben ihren zentralen Aufgaben – strategische Forschungsplanung, Reporting, Kommunikation mit Mittelgebern – unter anderem dazu, Projekte für den Wissenstransfer am Institut umzusetzen. Die Wissensvermittlung in die Gesellschaft sieht sie als Schlüsselaufgabe für das Leibniz-IZW: „Wir haben die Mission, Forschung für den Artenschutz zu machen. Das heißt, unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen in der Praxis ankommen und genutzt werden“, sagt sie.

Die Beteiligung der Gesellschaft kann für die Forschung sehr hilfreich sein. In einem der Citizen Science-Projekte am Leibniz-IZW werden zum Beispiel Kamerafallen eingesetzt, um Wildtiere in der Stadt zu erfassen. „Öffentlich installierte Kleinkameras würden binnen kurzer Zeit gestohlen. Deswegen brauchen wir Menschen, die in ihren privaten Gärten Daten erheben“, erläutert sie. Über die Datengewinnung hinaus ist der Co-Direktorin des Leibniz-IZW dabei auch wichtig, dass die Beteiligten etwas von solchen Projekten haben – Stichwort Wissenstransfer. Deshalb untersuchte sie zusammen mit Kooperationspartnern, ob und in welcher Weise Bürgerwissenschaftler*innen davon profitieren. Die beteiligten Gartenbesitzer*innen waren eingeladen, sich an der Analyse der Daten zu beteiligen, außerdem wurden sie nach Projektende befragt. „Was uns erstaunt hat: Die Teilnehmenden waren sehr aktiv bei der Datensammlung, aber nicht mehr in der Auswertungsphase. In dieser Rolle sahen sich die meisten nicht“, berichtet Miriam Brandt. Dennoch konnten die Bürgerwissenschaftler*innen über den Spaß am Beitragen hinaus etwas mitnehmen. „Rückmeldungen wie ‚Ich sehe meinen Garten mit neuen Augen‘ zeigen: Das Mitmachen schafft ein Bewusstsein dafür, dass Biodiversität sich auch vor der eigenen Haustür abspielt“, sagt die Biologin. Und dieser Bewusstseinswandel sei ein „Knackpunkt“, wenn man dem Artenschwund begegnen wolle.

Das laufende interdisziplinäre Projekt VideT nimmt die Wirksamkeit von Wissenstransfer aus einer etwas anderen Perspektive unter die Lupe: Es geht darum, wie über Wissenschaft kommuniziert wird. Meist stünden dabei Ergebnisse im Vordergrund, sagt Miriam Brandt. Dass es in der Wissenschaft beispielsweise auch viele Unsicherheiten gibt, sei dagegen wenig bekannt. Bei VideT setzen sich Schülerinnen und Schüler mittels eines videobasierten Transferinstruments mit der Wildtierforschung am Leibniz-IZW auseinander: „Die Videos thematisieren den Weg zur Erkenntnis, wie man also von einer bestimmten Frage zu den Methoden und zum Design eines Forschungsprojekts kommt“, erläutert die Wissenschaftsmanagerin. Von dem Projekt erhofft sie sich weitere Aufschlüsse darüber, wie man die Wirkung von Wissenstransfer erhöhen kann. „Wir wollen das Beste aus unseren Forschungsergebnissen herausholen“, sagt Miriam Brandt. Denn um Probleme wie die Biodiversitätskrise zu lösen, muss Wissen auch wirksam werden.

Wiebke Peters

Der Artikel ist im Verbundjournal 118 mit derm Schwerpunkt Karrierewege erschienen.

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
Dr. Miriam Brandt
Leiterin Wissenschaftsmanagement
Tel. 030 5168-109
E-Mail brandtizw-berlin.de