Neue Ergebnisse der Ultrakurzzeitspektroskopie zeigen, wie sich diese Oszillationen in radialer Richtung von transversalen Anregungen unterscheiden und beide zusammen das elektrische Verhalten der Flüssigkeit beeinflussen. Durch Einstellung der Elektronenkonzentration können elektrische Eigenschaften unterschiedlicher Flüssigkeiten angepasst werden.
Polare Flüssigkeiten wie Wasser oder Alkohole bestehen aus Molekülen, die ein elektrisches Dipolmoment besitzen. Die Moleküle üben durch ihre Dipole elektrische Kräfte aufeinander aus, wodurch gekoppelte kollektive Bewegungen großer Molekülgruppen ermöglicht werden. Derartige Bewegungen haben starken Einfluß auf elektrische Eigenschaften der Flüssigkeit, etwa die Mikrowellenabsorption, sind bislang aber wenig erforscht und auf molekularer Ebene nicht verstanden.
Ionisiert man mit einem ultrakurzen Lichtimpuls Moleküle in der Flüssigkeit, so gehen die freiwerdenden Elektronen innerhalb einiger Hundert Femtosekunden in einen lokalen Zustand über. Dort sind sie in eine Wolke mit einem Durchmesser von einigen Nanometern eingebettet, die aus Tausenden Molekülen besteht (Fig. 1(a)). In der Frühphase des Lokalisationsvorgangs werden kollektive Schwingungen der Molekülwolke, sog. Polaronen angestoßen, die sich optisch als periodische Modulation der Absorption im Terahertz-Frequenzbereich (1 THz = 1012 Hz = 1012 Schwingungen pro Sekunde) nachweisen lassen (Fig. 2(a)). Die Polaronfrequenz ist durch die Elektronenkonzentration in der Flüssigkeit bestimmt.
Neue Experimente am Max-Born-Institut, die kürzlich publiziert wurden (Physical Review Research 7, 023304 (2025)) zeigen dass Polaronen mit radialen, d.h. longitudinalen Bewegungen der Moleküle um das Elektron verbunden sind und von der Umgebung jenseits der schwingenden Molekülwolke entkoppelt sind (Schema in Fig. 1(b)). Der Durchmesser dieser Wolke ist durch die Abschirmlänge des elektrischen Feldes des Elektrons bestimmt, d.h. eine Länge von einigen Nanometern, über die dieses Feld in der Flüssigkeit wirksam ist.
Experimente, in denen Elektronen durch zwei zeitlich getrennte Lichtimpulse erzeugt wurden, ergaben dass die Frequenz der Polaronen durch die jeweils einzeln erzeugte Elektronenkonzentration bestimmt ist (Fig. 2(b)). Nach dem zweiten Anregungsimpuls bleibt die Polaronfrequenz gleich obwohl sich die Gesamtkonzentration der Elektronen verdoppelt hat (Fig. 3(a)). Dieser überraschende Befund unterstreicht die Abkopplung der einzelnen schwingenden Molekülwolken voneinander und von ihrer weiteren Umgebung. Untersucht man hingegen transversale Anregungen der Flüssigkeit nach der Elektronenerzeugung (Fig. 1c), so sind diese auf einer makroskopischen Längenskala additiv. Die entsprechende stufenförmige Absorptionsänderung (Fig. 2(b)) ist durch die Gesamtkonzentration der Elektronen bestimmt.
Eine zweiten Studie, die gemeinsam mit Forschern in den USA und in Großbritannien durchgeführt wurde (Physical Review A 112, L011101 (2025)) zeigt, wie man die elektrischen Eigenschaften unterschiedlicher Flüssigkeiten im Terahertzbereich nahezu identisch machen kann. Die Kontrolle der Elektronenkonzentration in verschiedenen Alkoholen führt zu identischen Frequenzen und nahezu gleichen Linienformen der Polaronresonanz (Fig. 3(b)). Man kann also mit dem Verhalten des einen Systems dasjenige eines anderen vortäuschen, ein kontrollierter Betrug (engl. ‚driven imposter‘). Dieses Verfahren könnte für Anwendungen in der Optoelektronik und Informationsverarbeitung ausgenutzt werden.