Forschung | PDI | 30-01-2020

Science in the City: Hochleistungs-3D-Elektronenmikroskopie im Zentrum von Berlin

Am Hausvogteiplatz im Herzen Berlins herrscht geschäftiges Treiben – Verkehrslärm, Abgase, und immer wieder ein Vibrieren von U-Bahnen unter den Füßen. Keine 50 Meter entfernt in einem Keller des Paul-Drude-Instituts (PDI) ist es absolut still, pieksauber und vibrationslos. Sichtlich stolz steht hier Dr. Achim Trampert, Leiter der Abteilung Mikrostruktur, in dem frisch in Betrieb genommenen „Berliner Applikationslabor Elektronentomographie – BALET“.

Abb.: A. Trampert / PDI

Das neue High-End-Mikroskop am PDI liefert jetzt 3D-Tomogramme von kompakten Materialsystemen in atomarer Auflösung. Das schafft ein Hochleistungs-Transmissionselektronenmikroskop, von denen es weltweit nur wenige für diese spezielle Anwendung gibt, sonst meist nur fernab der Stadtzentren. Daher meinten viele Kollegen, Tramperts Vorhaben könne im Stadtzentrum in erschreckender Nähe zu elektromagnetischen Störungen der U-Bahn nicht gelingen. Die Skeptiker irrten sich: Ein Käfig mit Spulensystem schirmt die magnetischen Störungen vom Mikroskop ab, das auf einer aktiven Vibrationsdämpfung auf einem vom Raum entkoppelten Sockel in einem Labor steht, das auch das Hauptgebäude nicht berührt. Alles ist darauf ausgerichtet, möglichst keine Schwingungen zu übertragen.

Im Inneren des Mikroskops durchleuchten Elektronen eine aus einzelnen Atomlagen zusammengebaute Probe. Detektoren fangen ein, was durch die Probe hindurchkommt, und so entsteht ein zweidimensionales elektronenmikroskopisches Abbild aus einem Blickwinkel. Da die Probe durch Rotation schrittweise rundum durchleuchtet wird, lässt sich aus allen Abbildern wie bei der Magnetresonanztomographie (MRT) ein 3D-Bild der Struktur – nun mit atomarer Auflösung – berechnen.

Damit die Elektronen die Probe von jedem Winkel durchdringen können, muss sie die Form einer sehr dünnen Nadel haben. Diese Proben von etwa einem zehntausendstel Millimeter Durchmesser präpariert Tramperts Team im Labor nebenan, indem es das Untersuchungsobjekt gezielt mit präzise gelenkten Galliumionen abträgt, bis eine so dünne Nadel konstanten Durchmessers übrigbleibt. Im Elektronenmikroskop dreht sich die Nadel dann um 180 Grad für die 3D-Tomographie. So entsteht ein Lageplan der Atome im Materialinneren. Diese Untersuchungen sind ein großer Schritt über die üblichen Ergebnisse von mikroskopischen Aufnahmen in einer Projektion hinaus und liefern wichtige strukturelle Informationen, die das Verständnis der Materialeigenschaften und der Vorgänge bei der Herstellung dieser besonderen Materialien erweitern. Für die Entwicklung zukünftiger elektronischer Bauelemente ist dies von unschätzbarem Wert.

Physiker Trampert und das PDI setzten alles daran, dieses von EU und vom Bundesland Berlin finanzierte Labor direkt am PDI anzusiedeln, damit die Materialforschung des Instituts und 3D-Elektronentomographie Hand in Hand gehen. Denn hier am PDI erstellen Experten ihre Proben selbst, untersuchen elektronische und optische Eigenschaften und erschaffen neue Nanomaterialien für die Elektronik der Zukunft. Sie lassen Atomlage um Atomlage neue Schichtsysteme wachsen und beeinflussen die physikalischen Materialeigenschaften im Prozess. Das Verständnis der Vorgänge, die während des Materialwachstums ablaufen, wird durch einen genauen 3D-Lageplan der Atome, wie ihn die Elektronentomographie liefert, ganz wesentlich vorangebracht.

Tramperts Vision ist es, die Kommunikation zwischen den Wissenschaftlern des Instituts und potenziellen Anwendern der Erkenntnisse zu stimulieren und somit einen Beitrag zu technologischen Innovationen zu liefern. Kollegen sollen ihre wissenschaftlichen Beobachtungen und Hypothesen sofort mit dem Mikroskop „durchleuchten“ und miteinander diskutieren können. Ferner soll die besondere Technologie zusammen mit der PDI-Expertise regionalen, mittelständischen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Trampert bringt es auf den Punkt: „Wir wollen mit der Methodik echte Probleme lösen, anstatt ein Problem zu suchen, das man mit der Methodik lösen kann.“

Text: Tamara Worzewski & PDI

Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik, Leibniz-Institut im Forschungsverbund Berlin e.V. (PDI)
Dr. Achim Trampert
E-Mail: trampertpdi-berlin.de
Tel. 030 20377-280

Applikationslabor Elektronentomographie: etomo.pdi-berlin.de