Pressemitteilung | MBI | 31-05-2018

Röntgenholografie zeigt einen Nano-Flickenteppich während des Phasenüberganges in Vanadiumdioxid

Die Rolle elektronischer Korrelation beim Isolator-Metall Phasenübergang in dem prototypischen Material VO2 wurde in Fachkreisen lang debattiert. Durch Kombination von Röntgenholografie mit spektroskopischer Information konnte ein internationales Forscherteam nun direkt beobachten, wie kleine Flecken unterschiedlicher Phasen während des Isolator-Metall Überganges auf Nanometerskala koexistieren.

Röntgenholografie zeigt einen Nano-Flickenteppich während des Phasenüberganges in Vanadiumdioxid

Kristallstrukturen für die isolierenden monoklinen Phasen M1 und M2 sowie für metallisches VO2 in Rutil (R) Struktur.|Abb. MBI

 

Das Wechselspiel zwischen den positiv geladenen Atomkernen und den dazwischenliegenden negativen Elektronenwolken, die diese wie Klebstoff zusammenhalten, bestimmt die Eigenschaften aller Materialien unserer Welt. Besonders interessant ist es, dieses Wechselspiel bei Phasenübergängen eines Materials zu verstehen. So ist zum Beispiel der Festkörper Vanadiumdioxid (VO2) bei tiefen Temperaturen elektrisch isolierend, wird aber ab ca. 65°C durch einen Phasenübergang metallisch leitend. Die veränderten elektronischen Eigenschaften (isolierend vs. metallisch) gehen einher mit winzigen Verschiebungen der Atome, die eine Änderung der Kristallstruktur von einer monoklinen (M1) zu einer sog. Rutil (R) Struktur darstellen (Siehe Abb. 1). Die treibenden Kräfte für diesen Phasenübergang sind seit langer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen; speziell wird über die Bedeutung der Wechselwirkung der Elektronen untereinander - die sogenannten elektronischen Korrelationen - diskutiert. So wurde berichtet, dass dünne Schichten aus VO2 bereits metallisch werden, noch bevor die Temperatur erreicht ist, bei der sich die Atompositionen verändern.

Ein Team von Wissenschaftlern des Max-Born-Institutes und der Technischen Universität in Berlin, den Instituten ICFO und ALBA in Spanien sowie der Vanderbildt Universität in den USA hat nun diesen Phasenübergang in VO2 mittels spektroskopischer Röntgenholografie untersucht. Diese Methode ermöglicht es, die elektronischen Eigenschaften mit einer Ortsauflösung von 40 nm abzubilden und dadurch die Rolle von räumlicher Inhomogenität im Mechanismus des Phasenübergangs aufzuklären. Die Wissenschaftler beschreiben in der Fachzeitschrift Nano Letters, wie Defekte im VO2 lokal den Ablauf des Phasenüberganges verändern. Aus Serien von Röntgenholografiebildern beim Heizen durch den Phasenübergang, wie in Abb.2, ergibt sich folgendes Szenario:

Mit steigender Temperatur beginnt das Wachstum kleiner metallischer "Flecken" in der R-Struktur an Defekten im Material, da hier die für den Übergang der Atome von der M1-Struktur in die R-Struktur benötigte Energie durch die "fehlplazierten Atome" des Defekts herabgesetzt ist. Die mit dem Übergang kleiner Bereiche von M1- zu R-Struktur verbundene Volumenänderung sorgt im Umfeld dieser Bereiche für Spannung im Kristallgitter. Diese Spannung führt dazu, dass sich kleine Bereiche des VO2 von der M1 Struktur in eine andere monokline Struktur M2 umwandeln, in der das Material ebenfalls ein Isolator ist. Es entsteht daher ein Flickenteppich verschiedenen Phasen auf der Nanometerskala, wie etwa das Streifenmuster bei 335°K (62°C) in Abb. 2. Bei höheren Temperaturen wandeln sich die isolierenden M2 Phasen in die metallische R Phase um - genauso wie es viele der M1 Bereiche auf direktem Wege ohne den Umweg über die M2 Phase tun. Der genaue Ablauf des Phasenüberganges variiert also räumlich in den dünnen VO2 Schichten. Für diese Inhomogenität auf der Nanometerskala waren Forscher zuvor blind; Mittelung über diesen Nano-Flickenteppich kann dann zu falschen Schlüssen führen. So zeigen die neuen Experimente im Gegensatz zu früheren Arbeiten nicht, dass eine monokline metallische Phase existiert oder dass sich elektronische Korrelationen bereits vor dem Phasenübergang ändern. Die Resultate demonstrieren, wie wichtig es für das Studium von Phasenübergängen in komplexen Materialien ist, räumliche und spektroskopische Informationen zu kombinieren. Da Röntgenholografie zudem die Möglichkeit bietet, ultraschnelle Prozesse abzubilden, legen diese Arbeiten einen wichtigen Grundstein für zukünftige Untersuchungen der Dynamik von laserinduzierten Phasenübergängen in komplexen Materialien.

Abb. 1: Kristallstrukturen für die isolierenden monoklinen Phasen M1 und M2 sowie für metallisches VO2 in Rutil (R) Struktur. Sehr kleine Änderungen der Atompositionen haben einen großen Effekt auf die Materialeigenschaften. Vanadiumatome sind orange dargestellt, Sauerstoffarme blau; Verbindungslinien dienen nur der Orientierung.

Abb. 2: Abbildungen der resultierenden Phasenseparation, wenn eine 75 nm dünne VO2 Schicht erwärmt wird. Die Bilder wurden mittels spektroskopischer Röntgenholografie aufgenommen und sind in Falschfarben dargestellt, um die verschiedenen Regionen sichtbar zu machen: rot = Defektregion, schwarz = M1 Phase, blau = M2 Phase, grün = R Phase. Es zeigt sich, dass manche Regionen sich direkt von der M1 in die R Phase umwandeln (z.B. beim roten Kreuz), während andere den Zwischenschritt über die M2 Phase nehmen (z.B. bei der blauen Raute).

Originalpublikation:
Luciana Vidas, Christian M. Günther, Timothy A. Miller, Bastian Pfau, Daniel Perez-Salinas, Elías Martínez, Michael Schneider, Erik Gührs, Pierluigi Gargiani, Manuel Valvidares, Robert E. Marvel, Kent A. Hallman, Richard F. Haglund, Jr., Stefan Eisebitt, and Simon Wall
Imaging Nanometer Phase Coexistence at Defects During the Insulator-Metal Phase Transformation in VO2 Thin Films by Resonant Soft X-ray Holography

Nano Letters, Article ASAP, DOI: 10.1021/acs.nanolett.8b00458.

Prof. Dr. Stefan Eisebitt, Tel.: 030 6392 1300
Dr. Bastian Pfau , Tel.: 030 6392 1343