Artikel | PDI | 12-07-2022

Von der Chance, langjährig grundlegend zu forschen

Dr. Jonas Lähnemann ist Senior Scientist am Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik (PDI). Er studierte Physik in Berlin, schrieb seine Diplomarbeit in Nantes, promovierte am PDI und arbeitete als Postdoc in Grenoble. Seit 2017 forscht er wieder am PDI.

Dr. Jonas Lähnemann | Foto: Ralf Günther

Herr Lähnemann, Sie sind Senior Scientist am Paul-Drude-Institut – was genau machen Sie da?

Am PDI stellen wir Halbleiterschichten her, mit einer Präzision, die einzelne Atomlagen erreicht, um dabei sowohl den Entstehungsprozess selbst als auch die ganz besonderen physikalischen Eigenschaften dieser Materialien zu untersuchen. Ganz wichtig ist, die Struktur von solchen Schichten aufzuklären und zu verstehen – um was für einen Kristall handelt es sich, wie ist die Verteilung der Elemente und führt das eventuell zu inneren Verspannungen? In diesem aufregenden Bereich bin ich verantwortlich für die analytische Rasterelektronenmikroskopie. Diese erlaubt nicht nur Abbildungen der Oberfläche, sondern beim Abrastern der Probe mit dem Elektronenstrahl kann ich parallel verschiedene Eigenschaften ermitteln und so einen direkten visuellen Eindruck von deren Verteilungbekommen. Die Prozesse dahinter sind ziemlich komplex: Die chemische Zusammensetzung lässt sich ermitteln, indem die durch den Elektronenstrahl des Mikroskops induzierten Anregungen von Elektronen in den inneren Hüllen der Atome analysiert werden. Diese Anregungen führen zu charakteristischer Röntgenstrahlung, die für jedes Element bei unterschiedlichen Energien liegt und somit die Zusammensetzung der Probe verrät. In Halbleiternbringt der Elektronenstrahl die Probe zusätzlich zum Leuchten. Diese Kathodolumineszenz liegt je nach Bandlücke des Materials in unterschiedlichen Spektralbereichen. Diese Bandlücke ist eine ganzzentrale Größe für die elektronischen und optischen Eigenschaften von Materialien und wir können Veränderungen mit einer Auflösung von wenigen zehn Nanometern untersuchen.

Wie kommt man dazu, zu einem solchen Experten zu werden? Kathodolumineszenz war ja wahrscheinlich kein Kindheitstraum?

Mich haben in der Schulzeit die großen Fragen und ungelösten Probleme der Kernenergie sehr bewegt. Ich wollte das unbedingt verstehen; ich hatte das Gefühl, dass ich etwas zur Lösung der damals schon drängenden Frage nach alternativen Energieträgern beitragen könnte, wenn ich mich mit den Themen intensiv und naturwissenschaftlich auseinandersetzten würde.

Das brachte mich dann auch zum Ende meines Physikstudiums nach Frankreich. Ein Dozent im Fortgeschrittenen-Praktikum der Freien Universität Berlin, der am damaligen Hahn-Meitner-Institut an Solarzellen forschte, hatte mir empfohlen, für meine Diplomarbeit nach Nantes in die Arbeitsgruppe von John Kessler und Nicolas Barreau zu gehen, die sich mit Dünnschicht-Solarzellen beschäftigten. In Nantes habe ich einen Messplatz für die spektral-aufgelöste Effizienz von Solarzellen aufgebaut.

Wieso sind Sie anschließend an das Paul-Drude-Institut gegangen?

Durch meine Diplomarbeit wurde mein Interesse an der Herstellung von definierten Halbleiterschichten geweckt. Das PDI mit seiner weltweit höchst anerkannten Expertise in Molekularstrahl-Epitaxie war der ideale Ort dafür. Mich beeindruckten: die ungewöhnliche Freiheit, mit modernsten Geräten zu arbeiten, und die große Kontinuität im Wissen der Senior Scientists. Ich wollte unbedingt lernen, was man mit dieser Technik alles machen kann – wobei ich erstmal weiterhin die Photovoltaik im Hinterkopf hatte. Doch die Begeisterung der PDI-Kollegen Uwe Jahn und Oliver Brandt für Nanostrukturen aus Gallium-Nitrid (GaN), die in Leuchtdioden Anwendung finden sollten, hat mich mitgerissen. Ich war sehr froh, als man mir eine Stelle für die Untersuchung dieser Materialien mittels Kathodolumineszenz-Spektroskopie im Elektronenmikroskop anbot. Dies lag meiner Erfahrung auch deutlich näher als die Wachstumsexperimente. Uwe Jahn hat mich dann auch in die anderen Methoden an unserem analytischen Elektronenmikroskop eingeführt. Nach meiner Promotion 2013 konnte ich noch weiter am PDI forschen – und unser zweites Kind kam zur Welt. Familienfreundlichkeit wurde so zu einem Faktor bei meiner Suche nach einer Postdoc-Stelle. In Grenoble, einem der wichtigsten Zentren der Halbleiterforschung in Frankreich, hatte Eva Monroy Mittel aus einem ERC Grant zur weiteren Erforschung von GaN-Halbleiternanostrukturen und ich konnte mich erfolgreich bewerben. Ich lernte unter anderem den Umgang mit Lithographie im Elektronenmikroskop zur Kontaktierung einzelner Nanostrukturen. Diese Zeit gab mir einen wichtigen Einblick in die unterschiedliche Forschungs- und Arbeitskultur, aber auch die Organisationsstrukturen in der Forschung.

Nach etwas mehr als zwei Jahren bin ich Anfang 2017 nach Berlin und an das PDI zurückgekehrt – mit dem Angebot, die Verantwortung für das analytische Elektronenmikroskop zu übernehmen, als Nachfolger meines Mentors Uwe Jahn, der 2018 in Rente ging.

Und jetzt haben Sie eine Trilogie veröffentlicht?

Wir haben über viele Jahre daran gearbeitet, ein ganz grundlegendes Problem zu lösen: Die Diffusionslänge von Ladungsträgern in Halbleitern ist für Bauelemente sehr wichtig. Wir stellten fest, dass sie für GaN bislang meist nicht richtig ermittelt wurde. Bei unserer Auseinandersetzung mit dem Thema kamen immer neue Fragestellungen auf und das führte dann zu drei gekoppelten Veröffentlichungen: die Grundlagen der Methodik und zwei komplementäre Methoden zur experimentellen Bestimmung der Diffusionslänge in GaN mittels Kathodolumineszenz-Spektroskopie. So eine langjährige, grundlegende Arbeit lässt sich an kaum einem Ort so gut abschließen wie am PDI. Die enorme Expertise und die enge Zusammenarbeit mehrerer Senior Scientists über so einen langen Zeitraum ist in der schnelllebigen Welt drittmittelfinanzierter Projekte nicht denkbar.

Das Interview führte Carsten Hucho

Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik (PDI)
Dr. Jonas Lähnemann
Tel. 030 20377-450
E-Mail laehnemannpdi-berlin.de

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